Zum formell höchsten Schweizer wählte der Nationalrat den Entlebucher Ruedi Lustenberger. Mit 175 von 180 gültigen Stimmen erreichte Lustenberger ein Glanzresultat. In den vergangenen zwanzig Jahren war nur einmal ein Nationalratspräsident mit mehr Stimmen gewählt worden: Hansjörg Walter erhielt 2011 bei seiner Wahl 185 Stimmen.
Er verstehe sich eher als Handwerker denn als Künstler der Politik, sagte der Schreinermeister Lustenberger, der bis 2011 ein eigenes Unternehmen führte. «Als Politiker bauen wir die Schweiz von morgen», sagte er. Die Kundinnen und Kunden seien die Bürger des Landes: «Für sie wollen wir gute Arbeit leisten.»
Lustenberger ist der elfte Nationalratspräsident aus dem Kanton Luzern seit Gründung des Bundesstaates 1848. Als zweiter Nationalratspräsident aus dem Entlebuch hat Lustenberger einen prominenten Vorgänger: Josef Zemp, der 1887 die grosse Kammer präsidierte und 1892 als erster Katholisch-Konservativer in den Bundesrat gewählt wurde.
Der 63-jährige Lustenberger folgt auf Maya Graf, die als erste Grüne das Amt der Nationalratspräsidentin bekleidet hatte. Die Zeit sei wie im Fluge vergangen, sagte Graf in ihrer Abschiedsrede.
Germann löst Lombardi ab
Im Ständerat wird nach einem Jahr unter der Führung des Tessiner CVP-Politikers Filippo Lombardi wieder weniger Italienisch gesprochen. Die kleine Kammer wählte mit 42 und damit allen gültigen Stimmen den Schaffhauser Hannes Germann (SVP) zu ihrem Präsidenten. Eine Stimme war leer eingegangen.
Der 57-jährige Germann übernimmt das Ständeratspräsidium als sechster Schaffhauser.
Der neue Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger heute im Nationalrat. /


Letztmals amtierte 1974/75 mit Kurt Bächtold ein Schaffhauser als Präsident der kleinen Kammer. Auch für die SVP ist der als gemässigt geltende Germann der sechste Vertreter seit Gründung des Bundestaates 1848.
In seiner Antrittsrede rief Germann den Ständerat dazu auf, trotz der baldigen Einführung der elektronischen Stimmabgabe «seinen Geist» zu bewahren. Es gelte, den Druck aus den Parteien und von Lobbyisten trotz stärkerer Kontrolle auszuhalten.
Ausserdem verteidigte er die Kantonsautonomie. Sich selbst charakterisierte er als einen «auf Ausgleich bedachten Föderalisten» aus einem Grenzkanton.
Plädoyer für «parlamentarische Diplomatie»
Der scheidende Ständeratspräsident Filippo Lombardi nutzte die letzten Momente seiner Amtszeit für eine Verteidigung seiner zahlreichen Auslandreisen, die in den Medien in die Kritik geraten waren. Er habe auf seinen 13 Reisen 22 Länder besucht sowie zahlreiche Botschafter und Delegationen in der Schweiz empfangen, erklärte Lombardi.
Dabei habe er die Politik der Schweiz bekannt gemacht, wichtige Kontakte geknüpft und beispielsweise über die Vorzüge des Zweikammer-Systems informiert. Wer von einer weltoffenen Schweiz spreche, müsse auch die Rolle des Parlaments in der Diplomatie anerkennen. Nur in der Schweiz müsse sich ein Politiker rechtfertigen, wenn er zu viel tue.
Nachfolger bereit
Beide Räte wählten auch ihre Vizepräsidenten. Im Nationalrat sind dies für das nächste Jahr Stéphane Rossini (SP/VS), der 166 Stimmen erhielt. Zweite Vizepräsidentin ist Christa Markwalder (FDP/BE), die 137 Stimmen erhielt. Die beiden sind turnusgemäss als nächste für das Präsidium vorgesehen.
Die Vizepräsidenten im Ständerat heissen Claude Hêche (SP/JU) und Raphaël Comte (FDP/NE), die ebenfalls als nächste die kleine Kammer präsidieren dürften. Comte rückte als zweiter Vizepräsident für Pankraz Freitag (FDP/GL) nach, der Anfang Oktober überraschend verstorben war.