Berichte über Verletzte lagen zunächst nicht vor. In Kiew wurde am Samstagabend der nationale Sicherheitsrat einberufen. Die Regierung in Kiew warf Russland direkt vor, hinter Angriffen von Separatisten im Osten der Ukraine zu stecken. Die Vorgänge seien ein «Aggressionsakt Russlands», teilte Awakow am über seine Facebook-Seite mit.
Zuvor hatten Bewaffnete in Tarnanzügen unter anderem eine Polizeistation in Slawjansk rund 100 Kilometer nördlich der Gebietshauptstadt Donezk gestürmt. Durch den Einsatz von Tränengas und Rauchgranaten wurden mindestens drei Milizionäre verletzt. Ein Polizeivertreter sprach von rund 20 Angreifern, die Schüsse in die Luft feuerten und dann das Gebäude übernahmen.
In den Strassen rund um das Polizeigebäude errichteten Hunderte Einwohner der Stadt Barrikaden.
Russische Flagge gehisst
Nach Angaben von Innenminister Awakow wurden auch der Sitz des Geheimdienstes sowie ein Verwaltungsgebäude gestürmt. Auf dem Rathaus in Slawjansk hätten die Besetzer die russische Flagge gehisst.
In Donezk selbst stürmten rund 200 prorussische, mit Knüppeln bewaffnete Demonstranten am Nachmittag das Hauptquartier der Polizei. Dabei stiessen sie auf keinerlei Widerstand, wie AFP-Reporter berichteten. Am Abend trat der Polizeichef auf Druck der Demonstranten zurück.
Ein Anführer der prorussischen Bewegung in Donezk namens Sergej Ziplakow übernahm die Verantwortung für die Aktion. Der ukrainische Innenminister kündigte eine «scharfe Reaktion» an. «Bewaffneten Terroristen» werde mit «null Toleranz» begegnet, erklärte er.
Die Demonstranten fordern eine Angliederung an Russland nach dem Vorbild der Krim oder zumindest ein Referendum über mehr Autonomie der Region.
Pro-russische Seperatisten besetzen Behörden. (Symbolbild) /

Arsen Awakow, ukrainischer Innenminister. /

Kollaps verhindern
Der ukrainische Aussenminister Andrej Deschtschiza forderte Russland in einem Telefonat mit seinem Kollegen Sergej Lawrow auf, die Unruhen nicht weiter anzuheizen. Moskau weist jedoch jegliche Beteiligung zurück.
Am kommenden Donnerstag wollen die USA, Russland, die Ukraine und die Europäische Union in Genf erstmals direkte Verhandlungen führen. Nach US-Angaben sollen US-Aussenminister John Kerry, sein russischer Kollege Sergej Lawrow, die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton und der ukrainische Aussenminister Andrej Deschtschyzja gemeinsam über eine Lösung des Konfliktes beraten.
Das Vierertreffen sei erst «der Beginn der Arbeit». «Langfristiges Ziel muss sein, dass wir den politischen und wirtschaftlichen Kollaps der Ukraine verhindern und dafür sorgen, dass diese Ukraine als Land beieinanderbleibt. Das ist schwieriger als sich viele vorstellen.»
Gasstreit droht zu eskalieren
Bei dem Treffen soll auch der drohende Gasstreit zur Sprache kommen. Russland hatte Anfang April den Preis für Gas von 268 Dollar auf 485 Dollar pro 1000 Kubikmeter erhöht. Begründet wurde dies damit, dass vereinbarte Rabatte unter anderem durch die Angliederung der Krim an Russland hinfällig seien.
Russland hatte die Halbinsel als Stützpunkt für seine Schwarzmeerflotte genutzt und dafür einen Preisnachlass auf Erdgas gewährt. Die Ukraine zeigte sich jedoch weiter unnachgiebig. «Wir sehen keinen Grund für eine Preisänderung», sagte der Chef des Staatskonzerns Naftogas, Andrej Kobolew, dem Magazin «Serkalo Nedeli». Kiew werde die Zahlungen an Moskau bis zu Gesprächen aussetzen.
Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für Gas aus Russland. Wegen unbezahlter Rechnungen hatte Russland der Ukraine 2009 das Gas zeitweilig abgedreht, was zu Engpässen auch in der EU führte. Experten halten einen neuen Gaskonflikt für möglich. Die Ukraine schuldet Russland derzeit etwa 2,2 Milliarden US-Dollar.