(Landquart/Bern) Die Vorwürfe waren happig: «Carna Grischa» soll ungarisches Poulet als schweizerisches verkauft, Pferde- statt Rindfleisch geliefert, Gefrier- als Frischprodukte deklariert und Verfallsdaten manipuliert haben. Der systematische Bschiss fiel erst auf, als die Firma dazu überging, im grossen Stil Pouletschenkel vom Hochlandrind und knusprige Kalbsflügeli zu vermarkten.
«Seien wir doch einmal ehrlich», erklärte Bundesrat Alain Berset vor den Bundeshausmedien: «Die Realität hinter den Kulissen unserer modernen Lebensmittelindustrie ist so niederschmetternd, dass der eigentliche Skandal darin besteht, dass wir überhaupt so etwas wie skandalfreie Perioden zwischen den einzelnen Enthüllungen zu durchleben glauben.»
Ettore Weilenmann hat als VR-Präsident von «Carna Grischa» nachweislich von den Betrugsfällen gewusst. Doch anders als der Badener Nationalrat Geri Müller, der nach den Enthüllungen um seine korrekt deklarierten Würstchen-Bilder professionell die Flucht nach vorne angetreten hatte, versagte die Krisenkommunikation beim Landquarter Verpackungskünstler total. Ettore Weilenmann spielte die massiven Schummeleien zur branchenüblichen Praxis hinunter und klebte sich sämtliche noch nicht in Umlauf gebrachten 15 000 manipulierten Artikel-Strichcodes kurzerhand auf die Oberlippe, wo sie seither für einen überdimensionierten Schnauzbart gehalten werden.
Nun hat Bundesrat Alain Berset im Etikettenschwindel ein Grundübel unserer Zeit ausgemacht.
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Die Sofortmassnahmen, die der Gesamtbundesrat auf seinen Antrag hin beschlossen hat, sind so umfassend, dass sie postwendend heftige Kritik ausgelöst haben. Besonders einschneidend sind die neuen Umdatierungs-Bestimmungen. So können etwa auch Frauen, die in ihrem Umfeld falsche Angaben über ihr Produktionsjahr machen - eine bisher weitverbreitete Praxis - künftig strafrechtlich verfolgt werden. Unklar ist allerdings noch, wie weit andere, visuelle Umdatierungs-Tricks wie Schminken und Haare färben geahndet werden sollen.
Doch auch Politiker wie Alain Berset könnten neu ins Visier der Justiz geraten. So werden Wahlversprechen in der Regel mit einer Laufzeit von vier Jahren ausgegeben, obwohl die meisten in der Realität bereits kurz nach Amtsantritt verfallen und heimlich entsorgt werden müssen.
Experten befürchten, dass die neue Verordnung sogar dazu führen könnte, dass der National- und Ständerat nach den Neuwahlen nicht mehr genügend Mitglieder aufweisen. Insider mutmassen nämlich, dass sich eine beachtliche Zahl der Parlamentarier in irreführender Absicht als Platzhirsch deklariert, obwohl es sich bei den meisten um ordinäre Rindviecher, eitle Gockel oder einfältige Esel handeln dürfte.