Zweieinhalb Monate vor dem unter Umständen ungemütlichen EM-Start gegen Albanien leistete sich die Schweiz vor allem in der ersten Hälfte einen Auftritt, der vor allem eine Erkenntnis akzentuierte: ohne Formanstieg aller Beteiligten kommt auf die kreativ seit geraumer Zeit wenig überzeugenden Schweizer an der Endrunde in Frankreich eine schwierige Aufgabe zu.
In ihrem 4-2-3-1-System - zu Beginn der Ära Pektovic operierten die Schweizer mehrheitlich in einer 4-3-3-Aufstellung - erzeugten die Gäste enttäuschend wenig Druck. Stürmer Haris Seferovic wirkte bis zur Auswechslung nach knapp einer Stunde isoliert, hinter dem wirkungslosen Frankfurter bemühte sich die von Blerim Dzemaili zu berechenbar gelenkte Dreierkette vergeblich um mehr Volumen.
Und im defensiven Mittelfeld begrenzte Granit Xhaka an der Seite von Valon Behrami, der die Schweiz im 64. Einsatz erstmals als Captain aufs Feld geführt hatte, weitgehend nur die Vorstösse der Einheimischen. Mehr hatte das Duo nicht zu bieten. Und die Verteidigung dürfte froh gewesen sein, nach dem völlig missratenen Auftakt wenigstens die übrigen 88 Minuten ohne weiteres Gegentor überstanden zu haben.
Neue Themen
Im Vorfeld des EM-Tests war die Schweizer Themenvielfalt ziemlich überschaubar. Die Ausmusterung von Gökhan Inler stand im Umfeld und auch im engsten Zirkel der Mannschaft zur Debatte. Es ist durchaus denkbar, dass die Art und Weise der Niederlage das Diskussionsspektrum in den kommenden Tagen wieder etwas erweitern wird.
Die Verantwortlichen glaubten und betonten, der langjährige Captain habe ohne Spielpraxis keinen Anspruch mehr auf einen Platz im SFV-Kader. Andere als der in Leicester überzählige Inler sollten in Dublin in den Vordergrund rücken und sich für höhere EM-Aufgaben empfehlen.
Das ernüchternde Fazit aus der Optik der ambitionierten Schweizer dürfte nicht allzu vorteilhaft ausfallen. Ihren hohen Ansprüchen wurden sie nicht gerecht. Kaum einer drängte sich für eine Hauptrolle auf. Sie spulten ihr Pensum ab, ohne dabei sonderlich positiv aufzufallen - im Gegenteil: zu Beginn gerieten sie gegen einen Kontrahenten in Bedrängnis, der mit einer B-Equipe angetreten war - notabene mit gerade einmal vier Premier-League-Stammspielern, die im Klub-Alltag mehrheitlich gegen den Fall in die Zweitklassigkeit zu kämpfen haben.
Petkovic wird nicht ganz unberechtigt ins Feld führen, dass bis zum Turnierstart genug Zeit bleibt, Form und Spannung aufzubauen. Nur personell besitzt er weniger Spielraum als sein irischer Amtskollege Martin O'Neill. Im Team der Schweizer fehlten vom Kern weniger Akteure.
Aber jene, die nicht zur Verfügung standen, fielen schwer ins Gewicht.
Ciaran Clark erzielt den entscheidenden Treffer. /


Der Turiner Aggressiv-Leader Stephan Lichtsteiner, Hamburgs Abwehrchef Johan Djourou und Xherdan Shaqiri, der derzeit einzige Schweizer mit der Qualität, mit einer Solo-Aktion den Unterschied zu erzwingen, fehlten unübersehbar.
Wahrscheinlich wäre Lichtsteiner in der Lage gewesen, die Lethargie der ersten 45 Minuten zu bekämpfen. Vielleicht hätte Djourou die Unsicherheiten zu Beginn schneller eindämmen können. Und womöglich wäre wenigstens Shaqiri in der Lage gewesen, wenigstens eine gute Szene im Strafraum zu kreieren. Spekulationen, Mutmassungen, Fragen.
Das entscheidende Gegentor nach 113 Sekunden
Vor dem zwölften Mann hatte Petkovic gewarnt und die Leidenschaft der irischen Fans gemeint. Von der Härte der kompromisslosen Gastgeber war die Rede. Eine unspektakuläre Halbzeit reichte aus, nahezu alle Prognosen zu widerlegen. Die knapp 35'000 Zuschauer verfolgten das Spiel mit nahezu stoischer Ruhe, und die Boys in Green auf dem Rasen benötigten keinen Kraftakt, um die Schweizer zurückzudrängen.
113 druckvolle Sekunden genügten bereits zum ersten Vorteil. Zwei aufgerückte Innenverteidiger manövrierten die gesamte SFV-Defensive aus. Shane Duffy leitete einen Cornerball per Kopf weiter, Ciaran Clark reagierte schneller als Timm Klose. Das frühe 0:1 vergrösserte die Nervosität der Schweizer in der eigenen Zone spürbar - bis zur 11. Minute erspielten sich die Iren ein Eckballverhältnis von 5:0. Zu korrigieren war der Fehlstart nicht mehr.
Irische Experimente
Martin O'Neills Auswahl hat in den letzten 24 Monaten zwar markant zugelegt und teilweise prominente Kontrahenten vor unlösbare Probleme gestellt und sich im vergangenen November mit einem 2:0 in der Barrage gegen Bosnien-Herzegowina zum zweiten Mal in Folge das EM-Ticket gesichert, aber in weitgehend anderer Formation.
Der irische Coach experimentierte im Duell mit den Schweizern. Das Gros der Stammkräfte fehlte verletzt, oder sass zunächst nur auf der Ersatzbank. Im Vergleich zum 1:0-Coup gegen den Weltmeister Deutschland gehörte einzig Robbie Brady zur Startelf, und nach dem medizinisch bedingten Out von Kevin Doyle (27.) stemmten sich sechs Akteure aus dem Mittelfeld der zweiten englischen Liga problemlos gegen die ideenlose Nummer 12 der FIFA-Weltrangliste.