von Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Dienstag, 28. September 2010 / 20:53 h
Was auf ersten Blick alle Bürgerlichen (siehe rechtslastigen Politvermesser und sog. Politbeobachter Hermann im TagesAnzeiger) als sozialdemokratische Ohnmacht zelebrieren und Levrat zur Wut treibt, sind in Tat und Wahrheit die sozialdemokratischen Trumpfkarten par excellence.
Zunächst zur Abstimmungsniederlage. Vielleicht merkt die Sozialdemokratie nun endlich, ein Jahr vor den Wahlen, dass Mitbestimmung, soziale Gerechtigkeit sowie Chancengleichheit nicht durch mehr Sitze in Regierung, Bundesverwaltung, Medienauftritte oder sonstigen öffentlichen Stellen, sondern nur noch auf der Strasse erkämpft werden können. Die Zeit der Kuschelbonbons für Migrationsdebatten und Konkordanzpolitik ist schon längst vorbei; UBS-Rechtsbruch sowie Bonidebatte lassen grüssen. Die Sozialdemokratinnen mutierten in den letzten Jahren so sehr zur tragenden Staatssäule, dass sie nicht gemerkt haben, dass sie immer die Ersten waren, die halfen, den Staat abzuschaffen (siehe dämliche Uni- und Schulreformen).
Der Departementsmurks ist nun das Beste, das Sommaruga passieren konnte. Denn vielleicht merken die Sozialdemokraten jetzt, dass Recht unter Bürgerlichen ausschliesslich eine Frage der Macht ist. Jetzt haben die Sozialdemokraten endlich eine Justizministerin, die auch entsprechende Sanktionen und Konsequenzen androhen, ausformulieren, kommunizieren und durchsetzen kann. Beispiele gefällig? Das Finanzdepartement schlägt eine neue Sparrunde, das Volkswirtschaftsdepartement die Umkrempelung der Landwirtschaft, das VBS die Aufrüstung vor. Alles Fragen der rechtlichen Grundlagen. Die Sparrunde widerspricht meistens dem verfassungsrechtlich bindenden Gleichstellungsgebot, die Umkrempelung der Landwirtschaft widerspricht dem verfassungsrechtlichen Schutz von Mensch und Natur und die Aufrüstung ist wegen der Schuldenbremse nicht zu haben. Endlich haben die Justizbeamten etwas anderes zu tun als nur Paragrafen zu kopieren! Sie müssen denken, regeln, Demokratie rechtens schützen, juppieee! «Der eine klopft auf den Busch, der andere kriegt den Vogel» – so wird die richtige, gerechte und Rechts-Politik von Sommaruga aussehen können.
Die Bürgerlichen wollten mit der Departementsstrafe Sommaruga zum Schweigen zwingen. Sie haben sie mit dieser Wahl wohl erst richtig laut gemacht! Wenn es ihr gelingt, die Dossiers als Kleinkram für den hausinternen Juristen zu überlassen und sich auf grosse Fragen, die mitunter eben Rechtsfragen sind, zu konzentrieren, wird sie zur grössten Bundesrätin, die wir je hatten. Es wäre schliesslich auch höchste Zeit! Sommaruga soll überall im Land in Sachen Recht und Ordnung das Ruder rumreissen. So wie es vor ihr schon Christoph Blocher tat. Überhaupt: Christoph Blocher. Er ist für Sommaruga der Mann der Stunde.
Simonetta Sommaruga bekam Zitronen... aber vielleicht macht sie ja tolle Limonade draus... /


Ihm gelang, was niemanden vorher glückte: Er machte das Justizdepartement zum gefährlichsten Politinstrument im Bundesrat. Imitieren ist eine hohe Form der Kunst – Sommaruga sollte sich daran halten.
Simonetta Sommaruga kann genauso macht- und selbstbewusst das Departement umkrempeln, in alle Departemente mit rechtlichen Grundlagen, Gutachten, rechtlichen Verfügungsdrohungen etc. dreinreden und die Arbeit ihrer seit vorgestern klar ekligen Kolleginnen und Kollegen stören.
Finanzministerin Widmer-Schlumpfs neues Sparprogramm? Weist erhebliche rechtliche Mängel auf. Wirtschaftsverhandlungen mit dem Ausland? Ohne Justizdepartement wird da gar nichts laufen (schon Blocher hat jede Verhandlung mit der EU stoppen können, genial). Forschungs- und Medienzugang in der EU? Muss rechtlich überprüft werden. Revision des Umweltrechts und der Verbandsbeschwerde? Schwerwiegende rechtliche Mängel im Departementsbericht. Umsetzung der EU-Mediarichtlinien? Sommaruga kann die Macht von Tamedia und SRG, das unselige Päckchen Verbände und Lokalradios mit einem Rechtsgutachten sowie ein paar Paragraphen elegant brechen, oder ganz beträchtlich stören. Medienvielfalt? Eine rechtliche Grundsatzfrage – hier ist schon längst ein Bericht des Justizdepartements fällig. Genau betrachtet ist das Justizdepartement das Traumdepartement. Viele Kleine im Rechtsverband gegen einige wenige Grosse haben schon viel erreicht – als Konsumentenschützerin sollte Sommaruga das wissen.
Christoph Blocher schaffte es während seiner Amtszeit Recht durch Macht zu setzen. Sommaruga wird es wohl doch schaffen durch Recht Macht zu setzen?
Das Justizdepartement? Christian Levrat wird in spätestens einem Jahr wieder lachen. Und die Bürgerlichen über dem von ihnen gelegten Kuckucksei verzweifeln. Nur etwas kann schief gehen. Justizministerin Sommaruga will nicht. Sie könnte, tut aber nicht. Sie dürfte, traut sich aber nicht. Falls das passiert, ist eine Riesenchance verpasst. Denn eigentlich steht das Recht auf ihrer Seite...