Die Nachrichtenagentur DPA sprach von Zehntausenden Demonstranten, Reuters von rund 5000. Die Demonstranten riefen «Nein zu Ben Ali». Die überall sichtbare Polizei hielt sich offenbar zunächst zurück. Die Demonstranten seien in Richtung Innenministerium gezogen worden, wo sie jedoch vor einer Polizeisperre aufgehalten wurden, wie die Nachrichtenagentur AFP meldete.
Am Donnerstagabend hatte Langzeit-Präsident Zine al-Abidine Ben Ali in einer Fernsehrede versucht, die Lage zu beruhigen. Dabei zeigte er sich erstmals zu Konzessionen bereit.
So sprach sich der 74-Jährige für eine Beibehaltung des Höchstalters für Präsidentschaftskandidaten von 75 Jahren aus. Damit könnte Ben Ali bei den nächsten Präsidentenwahlen nicht mehr antreten. Nächster Termin ist im Oktober 2014.
Ben Ali hatte 1987 in einem unblutigen Putsch die Macht in Tunesien übernommen und sich seitdem mehrfach in unfreien Wahlen bestätigen lassen. Wegen den seit Mitte Dezember andauernden sozialen Unruhen versprach er am Fernsehen unter anderem, die Preise für Grundnahrungsmittel zu senken und die Zensur zu beenden. Allgemein versprach der Präsident eine Öffnung des politischen Systems in Tunesien.
Was ist unangemessene Gewalt?
Ben Ali räumte zudem erstmals ein, dass Sicherheitskräfte unangemessene Gewalt gegen Demonstranten angewandt hätten. Er habe das Innenministerium angewiesen, künftig auf ungerechtfertigte Waffengewalt zu verzichten, sagte er.
Was genau Ben Ali unter unangemessener Gewalt versteht, liess er offen. Mehrere Agenturen meldeten jedoch, der Präsident habe seine Sicherheitskräfte angewiesen, nicht mehr auf Demonstranten zu schiessen.
Bei den Anti-Regierungsprotesten waren in den vergangenen Wochen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 66 Menschen getötet worden, darunter eine 67-jährige schweizerisch-tunesische Doppelbürgerin.
Will Regierung Opposition einbeziehen?
Am Freitag erklärte Aussenminister Kamel Morjane, Ben Ali habe Parlamentswahlen noch vor 2014 zugestimmt. Der Präsident habe erklärt, dass künftig Parlaments- und Präsidentenwahlen nicht mehr gleichzeitig abgehalten würden, sagte Morjane dem französischen Radiosender Europe 1.
Er halte es für möglich, dass auch die Opposition an der Regierung beteiligt werden. Eine solche Regierung der nationalen Einheit sei «völlig machbar und sogar völlig normal», sagte Morjane weiter.