Nach den letzten Wahlniederlagen der beiden Parteien seit Jahresbeginn zeigte sich Altermatt in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung «Le Temps» pessimistisch. Heute Abend gibt die SRG die jüngsten Ergebnisse des Wahlbarometers bekannt.
Altermatt diagnostiziert bei CVP und FDP, dass sich die beiden Parteien trotz gegenteiliger Ankündigungen nicht verstehen, weil sie sich zu stark vom Marketing leiten lassen und ihre Produkte aggressiver verkaufen wollen. In der letzten Zeit wurde der Ton zwischen den Präsidenten Christophe Darbellay und Fulvio Pelli zunehmend giftig.
Für Altermatt, ehemaliger Professor für zeitgenössische Geschichte und Rektor an der Universität Freiburg, gibt es aber nur einen Weg zur Rettung für beide Parteien: Die Annäherung. Wenn CVP und FDP nicht zusammenarbeiten - nicht fusionieren - werde die FDP einen Bundesratssitz verlieren.
Zuerst die Milieus, dann die Parteien
Historisch sieht Altermatt den Niedergang von CVP und FDP im Verschwinden ihrer gesellschaftlichen Milieus begründet. Die Freisinnigen gingen im 19. Jahrhundert aus der liberalen Bewegung hervor, die CVP stammt aus den katholisch-konservativen Kreisen.
Der Schweizer Historiker Urs Altermatt. /


Zuerst erodierten die klar zugehörigen Wählerschichten, dann die Parteien, zuletzt die Konkordanz, konstatiert Altermatt.
Das schweizerische Politsystem sei an einem Wendepunkt. Die Initiativen hätten ihre ursprüngliche Funktion eingebüsst. Immer mehr Volksbegehren würden angenommen, weil sie gegen etwas seien: Minarette, kriminelle Ausländer, Islam. So seien sie eigentlich zu Referenden geworden.
Im Parlament änderte sich ebenfalls viel. Wenn jemand eine Idee habe, mache er eine Interpellation, eine Motion, eine parlamentarische Initiative, erklärt Altermatt. Das überlaste das System.
Und nicht zuletzt bekomme der Bundesrat die Wucht der Polarisation zu spüren, welche die feinausgewogenen Regeln von Konkordanz, Viersprachigkeit, Parteien und Schichten durcheinanderbringe.