David Nägeli / Quelle: news.ch / Donnerstag, 13. Oktober 2011 / 17:07 h
Entstanden ist die explizit führerlos gehaltene Bewegung als Antwort auf die globale Finanzkrise, die in diversen Staaten Millionen von Menschen arbeitslos gemacht hat, während die Boni und Löhne des reichsten Prozentes der Bevölkerung stetig angestiegen sind. Frustrierte Menschen haben sich nach dem Vorbild des arabischen Frühlings in sozialen Netzwerken zusammengeschlossen und planen die Besetzung der Finanzviertel der Welt.
Verbreitet wird der Aufruf via Internet und SMS, während die Konzernmedien weltweit schweigen, oder einzelne Gruppen, die die Demonstrationen unterstützen, ins Licht rücken. Verschwörungstheoretiker, Anarchisten, Demokraten, Jugendliche oder Hacker werden als Organisatoren dargestellt. Am Beispiel der Demonstrationen an der Wall Street ist jedoch klar zu erkennen, dass ebenso Grossmütter, Kriegsveteranen, Republikaner, Studierte und Zeitarbeiter auf die Strassen ziehen und unter dem Motto «Wir sind die 99 Prozent» protestieren und mitorganisieren.
Gewaltfreiheit als grösster Konsens
Vorbereitet werden die Demonstrationen von Aktivisten, die sich weltweit via Internet austauschen, mögliche alternative Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle diskutieren und Poster oder Flugblätter übersetzen und verbreiten. Als einer der wenigen weltweiten Konsenspunkte ist die beinahe dogmatische Forderung nach friedlichen Protesten festzustellen. Ebenso wird von der überwältigen Mehrheit an Sympathisanten klar jegliche Verbindung zu einzelnen Organisationen oder Parteien abgelehnt.
Die Bewegung versteht sich als basisdemokratisch, fällt also die Entscheide nicht über Einzelne, sondern sucht den grössten gemeinsamen Nenner aller Teilnehmenden. So ist auch das langwierige Finden einer klaren Forderung nachzuvollziehen.
Die Demonstrationen in New York sind bereits seit dem 17. September in Gang. /


Während sich in Amerika langsam die komplette Trennung des Einflusses von Unternehmen und Wirtschaft auf die Politik herauskristallisiert hat, wird weltweit vor allem ein Ende der Korruption, eine gerechte Verteilung des Wohlstandes und eine «wahre Demokratie» angestrebt.
Eines der Zitate, das unter den Aktivisten oft herumgereicht wird, stammt vom US-amerikanischen Automobilgiganten und Milliardär Henry Ford: «Eigentlich ist es gut, dass die Menschen unser Banken- und Währungssystem nicht verstehen. Würden sie es nämlich, so hätten wir eine Revolution vor morgen früh.»
Unterstützung gewinnt die Bewegung auch bei diversen Prominenten: Stéphane Hessel, Verfasser von «Empört Euch!» und Mitarbeiter an der UNO-Menschenrechtscharta, steht genau so hinter den Demonstrationen, wie auch die Musiker von Radiohead und Anti-Flag oder der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz. Auch George Clooney hält die Besetzung der Wall Street für eine «gute Idee».
Erschreckende Ungleichheit..
Für den weltweiten Frust ist vor allem die ungleiche Verteilung der Güter der Welt verantwortlich. Nach einem Bericht der UNO-Universität besitzt das reichste Prozent knapp 40 Prozent des weltweiten Vermögens, während die ärmere Hälfte der Menschen weniger als ein Prozent sein eigen nennen kann.
..auch in der Schweiz
Nach einer Studie der Credit Suisse im Jahr 2010 zeigt sich auch in der Schweiz ein ähnliches Bild: Die reichste Prozent der Schweiz besitzt mehr als die Hälfte des Vermögens. Laut der UNO-Studie findet sich nur noch in Singapur und Namibia eine stärkere Verteilung. Diese Quote weist in den letzten Jahren auch eine klar steigende Tendenz auf - die Finanzkrise hat diese Entwicklung sogar noch katalysiert.
Demonstrationen in der Schweiz sind in Basel, Bern, Genf und Zürich angesagt, wobei die Aktion «Occupy Paradeplatz» in Zürich am meisten Schweizer anzuziehen scheint. Als eine der weltweit kleineren Demonstrationen, zählt sie auf Facebook bereits über 1'300 Teilnehmer.
David Nägeli ist Online-Redaktor bei news.ch und Sympathisant der globalen Occupy-Bewegung