Mehr als sieben Millionen Wahlberechtigte waren landesweit zu der von umfangreichen Sicherheitsmassnahmen begleiteten Wahl aufgerufen. Um die 217 Mandate in der Versammlung bewarben sich mehr als 11'000 Kandidaten auf rund 1500 Listen. Die Abgeordneten sollen eine neue Verfassung ausarbeiten und einen neuen Staatschef wählen, der dann den Chef einer Übergangsregierung ernennen soll.
Sowohl in Tunesien als auch im Ausland wurden die Wahlen als wichtiges Bewährungsprobe für die Revolutionsbewegung in der ganzen arabischen Welt gewertet. Im Januar hatten die Tunesier als erstes Volk in der Region erfolgreich gegen die autoritäre Herrschaft ihrer Führung rebelliert. Seitdem auch die Ägypter und Libyer ihre Langzeitherrscher stürzten, gilt Tunesien als Mutterland des "arabischen Frühlings".
Ennahda-Partei ist Favoritin
Mit Spannung wird nun vor allem erwartet, welches politische Lager in der verfassungsgebenden Versammlung die Mehrheit stellen wird. In letzten Umfragen lag die islamistische Ennahdha-Bewegung von Rachid Ghannouchi mit bis zu 30 Prozent der Stimmen klar vorn.
Tunesien: Avenue Habib Bourguiba in der Hauptstadt Tunis. /


Sie war unter Ben Ali verboten und ist in der Bevölkerung stark umstritten.
Zuletzt nahmen die Spannungen zwischen säkularen und islamistischen Strömungen zu. Die Risse wurden auch am Wahltag deutlich: Ghannouchi wurde lautstark vor einem Wahllokal in Tunis angepöbelt, als er seine Stimme abgab.
Wahlbeteiligung übertrifft Erwartung
Unter Ben Ali gab es nie ein vergleichbares Interesse an Wahlen. "Dies sind Momente, auf die wir lange gewartet haben", sagte ein 50-jähriger Tunesier, der in einer Warteschlange vor einem Wahllokal stand. "Wie könnte ich mir das entgehen lassen? In wenigen Momenten, schreiben wir Geschichte."
Nach ersten offiziellen Angaben lag die Wahlbeteiligung in manchen Bezirken über 80 Prozent. "Das ist ein Tag der Freude und des Stolzes", kommentierte der derzeitige Übergangspräsident Foued Mebazaa.
Für Sicherheit an den Wahllokalen sorgten 20'000 Polizisten und 22'000 Soldaten. Das Militär war auch für den Transport der Wahlurnen zuständig. Schwerere Zwischenfälle wurden allerdings zunächst nicht bekannt.
Nach Angaben von EU-Wahlbeobachter kam es an manchen Orten wegen des grossen Andrangs und teilweise schlecht informierter Wähler zu chaotischen Szenen. Tunesiens oberster Wahlaufseher Kamel Jendoubi sprach zudem von mehreren Regelverstössen.