Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Montag, 9. Januar 2012 / 13:59 h
Kashya und Christoph, Edith und Christian, Phillip, Hermann und T., Egon und Bettina ... es tönt wie ein gediegener Abend im Country-Club, aber es ist eher ein unbekömmliches Cocktail, dass aus diesen Namen gebraut werden könnte. Und es zeigt, dass von schlichter Naivität bis zu krimineller Blödheit alles drin liegt.
Es wurden ja so manche Parallelen zwischen der Affäre Wulff und der Affäre Hildebrand gezogen, wobei diese aber so ziemlich total daneben sind, denn der Umgang der «Angeklagten» mit den Anschuldigungen ist diametral unterschiedlich. Während Hildebrand innert kürzester Zeit mit allem rausrückte und noch mehr anbot, mauerte und mauert Wulff noch immer wie ein DDR-Grenzschutzangestellter im August 1961.
Natürlich muss man Hildebrand vorwerfen, dass er den Deal seiner Frau Kashya nicht stante pede im letzten August rückgängig machen liess, selbst wenn dieser den recht gummig formulierten Vorschriften entsprochen hatte.
«Untragbar», wie von gewissen SVP-Repräsentanten behauptet, ist Hildebrand deshalb noch lange nicht. Denn im Gegensatz zu Christoph Blocher ist Hildebrand in dieser Angelegenheit noch keiner einzigen Lüge überführt worden und er legt offen, was auch immer gefordert wird.
Christoph Blocher hingegen schiesst mal wieder den Vogel ab. So als er behauptet, in einem Treffen mit mehreren Leuten und der damaligen Bundesrätin Micheline Calmy-Rey keine Dokumente dabei gehabt zu haben, während sich die anderen Anwesenden scheinbar an von ihm mitgebrachte Kopien von Kontoauszügen erinnern - fantasieren die anderen nicht, dann gibt es wohl nur die Erklärungen, dass Blocher entweder lügt oder senil ist.
Die fraglichen Kontoauszüge hatte ihm SVP-Grossrat und Gemeinderat Hermann Lei zugesteckt und zwar im Auftrag eines Mandanten, dessen Ziel es gewesen sei, eine Untersuchung des Falles zu veranlassen. Diese Untersuchung wurde denn auch gemacht und Hildebrand in der Folge sowohl von der beauftragten Revisionsgesellschaft als auch vom Bankrat frei gesprochen.
Mit dem hatten scheinbar weder Blocher noch Lei gerechnet - der Kopf Hildebrands lag nicht auf dem Tablett. Sie gaben deshalb ihren Verstand an der Garderobe ab, gingen aufs Ganze und lancierten über die Weltwoche die Insider-Kampagne. Dies gegen den ausdrücklichen Wunsch des Informanten T., der die Weitergabe der Unterlagen an die Presse durch seinen Anwalt nie gewünscht oder gar genehmigt hatte. Und um die ganze Sache noch zu würzten, erfanden Lei und wer auch immer, noch einige unhaltbare Aussagen dazu, wie zum Beispiel, dass die Unterlagen vom Kundenberater der Hildebrands stammten und dieser bestätige, dass Hildebrand selbst - und nicht seine Frau - den Auftrag gegeben hätte.
Der Sturm, der sich eigentlich über Hildebrand hätte entladen sollen, fand ein neues Ziel: Blocher und vor allem sein Zuträger Lei, der mit seinen Handlungen auch seinen Klienten geschädigt hat, stehen im Regen - dank ihrer eigenen Dummheit, zu glauben, mit leicht widerlegbaren Lügen durch zu kommen. Da finden sie sich aber in bester Gesellschaft, denn auch der Deutsche Bundespräsident Christian Wulff steht Tag um Tag begossener da und auch er verdankt dies nur sich selbst.
Genau wie Blocher hält sich auch Wulff für ein Leuchtfeuer der Moral und wie Blocher (der schon wiederholt beim Lügen erwischt wurde), glaubt auch Wulff, dass, wenn die Hose erst mal am Rauchen ist, trotzdem niemand nachschauen kommt, woher der Qualm denn genau kommt und lügt und mauert weiter, einfach jedes Mal einen Schritt weiter hinten, näher am Abgrund, wenn eine weitere Lüge aufgeflogen ist. Zum Beispiel darüber, was er für Nachrichten in einer Mailbox hinterlassen hat.
Christoph Blocher - entweder Gedächtnislücke oder er hält alle anderen für blöd. /


Oder ob er seinen Kredit nun von Esther oder Egon Gerken bekommen hat und ob so eine halbe Million Euro keine Geschäftsbeziehung darstellt.
Wulff, Blocher... ja sogar der Anwalt Lei, sie Zählen alle zur sogenannten gesellschaftlichen Elite. Zu jenen, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, das Denken und Handeln in unserer Gesellschaft zu formen. Wulff ist in Deutschland als wandelnder Moralfinger bekannt, der anderen gerne die Leviten las, noch bevor er als laut bekennender Christ in sein Amt gehievt wurde. Und über Christoph Blocher Worte zu verlieren, ist eigentlich müssig.
Die Idiotie, mit welcher beide vorgehen, das billige Geschwindle und mit dem Finger auf andere Zeigen, ist in etwa auf dem Niveau eines Primarschülers, der einem Gspänli die eingeschlagene Fensterscheibe in die Schuhe schieben will, nachdem er ein Video auf Facebook postete, wie er selbst den Stein warf.
Doch diesmal könnte es genug sein. Lei zumindest wird im Frühjahr nicht mehr zur Wahl antreten - ein Bauernopfer für den geliebten Führer. Blocher hingegen dürfte sich halten können, kann die SVP doch nicht auf ihr gerkrümmtes Rückgrat verzichten. In Deutschland wird der Schwindler Wulff vermutlich noch einige Wochen herum drucksen, bevor er von den eigenen Freunden abgeschossen wird.
Was mit Hildebrand passiert, ist noch offen: Die SVP könnte nach der Herbstwahl eine weitere Niederlage erleiden: Denn bei der Veröffentlichung in der Weltwoche war es noch Taktik gewesen, zu betonen, dass es nicht Kashya sondern Phillip Hildebrand selbst gewesen sei, der den Devisenkauf veranlasst hatte. Eine Behauptung, die nun auf einmal keine Rolle mehr spielen sollte, so Blochers Hohepriester Christoph Mörgeli.
O.K., wir haben's kapiert. Wir sind alles Idioten. Aber das heisst noch lange nicht, dass wir uns von Vollidioten zum Narren halten lassen!
Post-Scriptum: Seit dem publizieren dieser Kolumne ist Phillipp Hildebrand zurück getreten. Die Begründung: Er könne nicht abschliessend beweisen, dass er nicht von der Devisen-Transaktion seiner Frau gewusst habe. Sprich, er tritt zurück, weil er nicht seine Unschuld beweisen kann.
So hat es die Idiotie geschafft, die Beweislast umzukehren. Gratulation nach Herrliberg. Dass Hildebrand dabei mehr Anstand und Würde zeigte, als der ganze SVP-Klüngel, macht die Sache nicht unbedingt besser.