Portugal hatte am Mittwoch mit dem 3:2 gegen Dänemark den ersten Sieg an dieser EM eingefahren. Und doch hatten die Lusitaner einen grossen Verlierer in ihren Reihen: Cristiano Ronaldo. Seine Weitschüsse und breitbeinig getretenen Freistösse flogen meterweit am gegnerischen Gehäuse vorbei, in der zweiten Halbzeit vergab er zwei hundertprozentige Möglichkeiten auf klägliche Weise und an keinem der drei Tore seiner Equipe war er massgeblich beteiligt. Nichts erinnerte an den selbstbewussten Cristiano Ronaldo, der in dieser Saison Real Madrid mit 46 Treffern zum spanischen Meistertitel geschossen hatte. Der Offensiv-Künstler offenbarte in der Arena von Lwiw Nervenschwäche.
Auf den Zuschauertribünen sollen provokative Rufe nach seinem Erzrivalen Lionel Messi registriert worden sein, er wurde hinterher als «Chancentod» verspottet und die Presse in der Heimat kritisierte ihn heftig. Sein Trainer Paulo Bento und seine Mitspieler nahmen ihn - zumindest vor den Mikrofonen der Reporter - demonstrativ in Schutz. Zu den «Messi»-Sprechchören meinte Ronaldo unwirsch: «Wissen Sie, was Messi vor einem Jahr gemacht hat? Er ist mit Argentinien bei der Copa America in den Viertelfinals ausgeschieden.» Sein ausgeprägtes Ego war mehr als nur angekratzt.
Frisur und Extrawürste
Ein Spieler von Cristiano Ronaldos Sorte kann einen Match im Alleingang entscheiden. Dieser Segen kann zugleich Fluch sein. Es können Abhängigkeiten entstehen. Was, wenn es dem Star nicht läuft und die Taktik zu sehr auf ihn ausgerichtet ist? Portugal musste froh sein, dass weniger prominente Exponenten gegen Dänemark Skorerqualitäten entdeckten. «CR7» erlebt bisher eine EM zum Vergessen. Nach der Auftaktniederlage gegen Deutschland hatte sich die Öffentlichkeit darüber gewundert, dass der Wunderknabe in der Pause jener Partie offenbar mehr mit seiner Frisur beschäftigt gewesen war als mit der Team-Taktik. Kopfschütteln lösten auch Meldungen aus, wonach der 27-Jährige von der Insel Madeira im portugiesischen Camp Extrawürste wie ein eigenes Apartment geniessen soll, während die Kollegen in Einzelzimmern untergebracht sind.
«Europäer zu verbissen»
Die im Sarganserland wohnhafte Trainerlegende Otto Pfister (derzeit Nationalcoach von Trinidad & Tobago) hat während seiner langen Karriere auch mit Profis zu tun gehabt, die in seinen Teams aufgrund ihrer Reputation aus dem Kollektiv herausgeragt sind. Wie etwa Emmanuel Adebayor bei Togo oder Samuel Eto'o bei Kamerun. Der 74-jährige Deutsche weiss um die Problematik. «Um solche Spieler herrscht rund um die Uhr Rummel», so Pfister, «sie können kaum einmal zur Ruhe kommen. Der Druck, den das Umfeld produziert, ist enorm.
Zlatan Ibrahimovic: Tut ihm die Binde gut? /


Und die Spieler stellen selber hohe Erwartungen an sich. Sie möchten die Verantwortung an sich reissen. Damit können viele nicht umgehen. Es hat in diesem Business zahlreiche sensible Typen.» Man müsse jedoch mit diesen kein Erbarmen haben, meinte der Kölner, schliesslich tröste die Entlöhnung über Enttäuschungen hinweg.
Pfister ist in seiner Trainer-Laufbahn überdies zur Erkenntnis gelangt, dass sich afrikanische Spieler mit der Leaderrolle in einem Team besser anfreunden können als andere. «Die Europäer sind oftmals zu verbissen», findet er und nennt aus aktuellem Anlass den Holländer Arjen Robben als weiteres Negativ-Beispiel. «Die Afrikaner sind in dieser Hinsicht mental stärker, weil sie eine gewisse Lockerheit mitbringen. Sie sagen sich: Was ist schon ein verlorenes Fussballspiel, wenn man die teilweise schwierigen Lebensumstände auf unserem Kontinent kennt. Das kann helfen.»
Pfister glaubt überdies, dass etliche Spieler, die in den vergangenen Monaten bei europäischen Top-Klubs engagiert gewesen sind, am Ende einer harten Saison zu ausgelaugt sind, um eine Mannschaft mit der notwendigen Power auf dem Rasen anzuführen. «Mehr als 60 Einsätze und nur wenig Regenerationszeit, diese Rechnung kann fast nicht aufgehen.»
Vergiftetes Klima bei «Ibras» Schweden
Zlatan Ibrahimovic fällt bei Schweden ein ähnlicher Status zu wie Cristiano Ronaldo bei Portugal. Ohne «Ibra» wären die Skandinavier wohl zu harmlos im Angriff. Davon kann man nach der Niederlage gegen den Co-Gastgeber Ukraine ausgehen. Die Schweden werden mutmasslich auch heute Freitag gegen England auf Geniestreiche des Serie-A-Topskorers angewiesen sein.
Stellt sich die Frage, ob Ibrahimovic, dessen Star-Allüren nicht verborgen bleiben, innerhalb seines Nationalteams noch akzeptiert ist. Laut Medienberichten soll sich der Milan-Stürmer nach der Pleite zum EM-Auftakt mit dem Trainer-Assistenten Marcus Allbäck angelegt haben, und Abwehr-Patron Olof Mellberg soll sich auf die Seite des Betreuers geschlagen haben. Die Mannschaft sei nun in zwei Fraktionen geteilt. Das Klima sei vergiftet. Ibrahimovic trage nicht zu einer Verbesserung der Stimmung bei. Dies ist kein Nährboden für rosige Perspektiven. Harte Zeiten für die erfolgsverwöhnten Ibrahimovic und Cristiano Ronaldo.