Die politische Elite des Landes gebraucht den Kurznachrichtendienst in erster Linie zu Promotions- und Werbezwecken, anstatt den Dialog mit relevanten Zielgruppen zu forcieren. Auch die Verbindungen zwischen den politischen Lagern selbst sind durchaus aufschlussreich. Ausgangspunkt ist eine Analyse von insgesamt 40 offiziellen Partei- sowie Politiker-Accounts der Plattform electionista im Auftrag des Wirtschaftsblattes Il Sole 24 Ore.
Quantität nicht alles
Das Schlüsselwort bei Twitter ist Interaktion, das Pflegen von Kontakten in Form von antworten, retweeten oder erwähnen. Insbesondere in der italienischen Politik scheint das Bewusstsein dafür noch ausbaufähig. Viele Follower und häufiges Absenden von Tweets alleine reicht nicht, so die Zeitung, vor allem nicht für jemanden im politischen Betrieb, dessen Erfolg auf Netzwerken und Verbindungen beruht.
Der Komiker und Neo-Politiker Beppe Grillo ist mit rund 896.000 Followern der mit Abstand meistgefolgte. Diese grosse Basis beruht auf seiner Website, dank der er in den vergangenen Jahren zu Italiens bekanntestem Blogger aufgestiegen ist. Berlusconis privater Account @Berlusconi2013 verfügt hingegen nur über eine Gefolgschaft von circa 66.400.
Ideologische Gräben sichtbar
Besonders interessant sind dabei die Verbindungen bzw. Nicht-Verbindungen zwischen den jeweiligen Lagern. Grillo folgt beispielsweise keinem einzigen der untersuchten Accounts, die sich ausserhalb seiner politischen Sphäre befinden. Dies ist mitunter auch Ausdruck für seinen Protestcharakter und die damit einhergehende Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment per se. Im Gegensatz dazu folgen die Accounts des Mitte-Rechts-Bündnisses zahlreichen politischen Kontrahenten.
Twitter-Seite von Beppe Grillo: Bald 900'000 Follower. /


Die Demokraten rund um Spitzenkandidat Pierluigi Bersani meiden hingegen strikt das Berlusconi-Lager, während sie gleichzeitig einigen anderen folgen.
Die politischen Verhältnisse sind in Italien von Natur aus eher unbeständig. Mit Grillo und Mario Monti sind für die anstehenden Parlamentswahlen am 24. und 25. Februar zu der ohnehin schon fragmentierten Parteienlandschaft zwei weitere relevante Player hinzugekommen. Aufgrund der dadurch komplexeren Mehrheitsverhältnisse lässt sich auch die politische Relevanz der Twitter-Verbindungen nur schwer belegen.
Twitter ist nicht Facebook
«Nehmen wir zum Beispiel das vergangene Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Mario Monti hat ein Video von seiner Ankunft getwittert. Der finnische Aussenminister Alexander Stubb und der Sprecher von Angela Merkel kommentierten hingegen das Budget selbst», erklärt Alberto Nardelli, Mitgründer des Londoner Start-ups Tweetminster. Hinzu kommt die fehlende Unterscheidung zwischen den verschiedenen Web-2.0-Kanälen. «Die Politiker verwenden Twitter so wie Facebook. Ersteres ist aber vielmehr zur Interaktion geeignet, während diese bei Facebook mehr limitiert ist», sagt Buchautor Andrea Boscan («Fare Politica digitale»). Er betont, Politiker würden zu wenig Accounts folgen und nicht zeitgerecht reagieren. Dabei entstehe die Gefahr als unauthentisch wahrgenommen zu werden.
«Politische Parteien machen mitunter den klassischen Anfängerfehler, die beiden Dienste miteinander zu verknüpfen und stimmen damit den Inhalt nicht auf die einzelnen Instrumente ab», bemängelt Jörg Eisfeld-Reschke vom Institut für Kommunikation in sozialen Medien im Gespräch. Insbesondere gezieltes Negative-Campaigning gegen politische Gegner und das schlichte Veröffentlichen von Aussagen ohne dabei in den Dialog zu treten, gehe an den Interessen der Follower vorbei.