Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 10. April 2013 / 08:49 h
Sie hat Grossbritannien, ja die Welt, zum Privateigentum erklärt. «Everything» war ihre Antwort auf die Frage, was sie denn alles in Grossbritannien während ihrer Regentschaft verändert habe.
Die britischen Gewerkschaften jubelten vorgestern: «This is a great day for the Unions» und bewiesen damit, wie sehr die Eiserne Lady ihre Sprache, ihre Konzepte, ihre Menschlichkeit pervertiert hat. Denn der Tod von Margaret Thatcher wird an ihrem Werk nichts verändern, im Gegenteil. Sie hat Grossbritannien grundsätzlich und unveränderbar umgepflügt. Nihilismus ist seit Thatcher das politische Programm von rechts bis links.
Margaret Thatcher war als Politikerin das Programm, das sie allen Menschen verordnen wollte: «No empathy» - eine Hartherzigkeit gegenüber allen, nur nicht gegenüber sich selbst. Ihr Selbst war schon längst der Fassade einstudierter Phrasen, Programme und Linien gewichen. Der vielgerühmte schwarze Humor der Insel ist mit Thatcher zum ironischen Entdemokratisierungsprogramm für alle mutiert. War vor Thatcher meist die Oberklasse das Ziel von Spott und Humor, wurde es mit und nach Thatcher opportun, sich über die Schwachen, Armen und Benachteiligten lustig zu machen - wer im Dreck lag, musste nun damit rechnen auch noch getreten zu werden. «Gutmenschen» ist ein Thatcher-Begriff, obwohl sie ihn selbst nie gebraucht hat. Doch das Konzept, dass Alle, die Menschen und nicht Mehrwert sehen und sich um Menschen kümmern, eigentliche Idioten sind, ist von Grossbritannien her kommend mitten in unsere Herzen, unser Denken und in unsere Sprache eingeflossen.
Die Süddeutsche berichtet gestern, wie die karrieresüchtige Lokalpolitikerin Thatcher Manierismen und Sprechweisen einstudiert hatte, um als Frau unter lauter Männern bestehen zu können.
Margaret Thatcher (mit George Bush): Politische Sprechpuppe mit steinhartem Programm. /


Sie hatte ihren eigenen Peter Pettigrew zur Seite - Timothy Bell, einen PR-Menschen, der die Interview-Techniken, Bekleidung und sogar die Frisur von Thatcher auswählte und de facto der echten Thatcher erst dazu verhalf, die «Eiserne Lady» zu erschaffen. Jede Geste, jede Betonung, jedes Atmen wurde einstudiert, jedes Wort genau so plaziert als wäre es eine Waffe. Am Beispiel von «Enough is Enough» lässt sich dies im verlinkten Video hören.
Menschlichkeit wird bei Frauen vom Schlag einer Thatcher oft vermisst, dabei ist es exakt dieses Fehlen, das Frauen hilft, wenn sie in der zynischen Männerwelt bestehen wollen. Jüngste Beispiele sind Sheryl Sandberg oder Hanna Rosin, die den Aufstieg der Frauen auf dem Rücken der Männer, ja eigentlich der Menschen propagieren.
Einhellig wird Margret Thatcher als Person beschrieben, die niemanden kalt liess. Dabei gab es die Person Margaret Thatcher gar nicht. Sie war eine politische Sprechpuppe mit einem steinharten Programm. Ihr glühendster Verehrer und Imitator war «more of the same»und wahrscheinlich mehr Sohn als ihr biologischer: Tony Blair war der ideale Klon von Thatcher. Sie schrieb ins Stammbuch ihrer eigenen Partei: «Wir brauchen nicht jemanden, der Blair schlagen kann, wir brauchen jemanden wie Blair.» Der Fact, dass Thatcher-mit-Erschaffer Timothy Bell von Blair ins Oberhaus befördert wurde, ist da nur noch ein schreckliches Detail am Rande.
Seit 1979 hat Grossbritannien nie mehr was anderes zu spüren bekommen als Thatchers Austerität und schäbigste Unmenschlichkeit: David Cameron zeugt davon. Margret Thatcher veränderte «everything». Dies gelang nur, weil sie kein Selbst mehr hatte - die klassische Definition vom Bösen. «She did everything as a nobody» sollte eigentlich auf ihrem Grabstein eingemeisselt werden.