Wie ein Bittsteller, fast wie ein Bettler, wirbt der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch bei Kremlchef Wladimir Putin um überlebenswichtige Milliardenhilfen. Der bullige Staatschef wirkt blass und fahrig, die wochenlangen Proteste prowestlicher Demonstranten in Kiew scheinen ihn zu zermürben.
Nur wenige Stunden später verkündet Putin dann das Verhandlungsergebnis. 15 Milliarden US-Dollar Kredit und einen kräftigen Nachlass bei den Gaspreisen kann Janukowitsch mit nach Kiew nehmen.
Die Hilfe aus dem Kreml rettet die Ukraine zunächst vor dem Ruin. Mit vielen Milliarden Euro Schulden steht die Ex-Sowjetrepublik in der Kreide, etwa beim Internationalen Währungsfonds IWF. Nun kann Janukowitsch erst einmal durchatmen. Aber in Kiew wird die Luft wohl künftig noch rauer für den unbeliebten Präsidenten.
«Keiner bekommt von Putin Geld oder Gas ohne Gegenleistung», schimpft Vitali Klitschko, einer der Oppositionsführer, in der «Bild»-Zeitung (Mittwoch). Zunächst aber streiten die beiden Präsidenten jede Art eines solchen geheimen Handels ab.
«Klein-Russland»
Die enge Partnerschaft mit Russland ist für die Demonstranten um Klitschko, inzwischen Boxweltmeister im Ruhestand, ein rotes Tuch. Ihre Befürchtung: Mit der engen Anbindung an den östlichen Nachbarn wird die Ukraine zu einem «Klein-Russland» - trotz der Beteuerungen Putins, ein Beitritt der Ukraine zu einer von Moskau geführten Zollunion sei gar nicht diskutiert worden.
Doch der Traum vieler Menschen von einer Annäherung an die Europäische Union mit visafreien Reisen wäre dann wohl dennoch erst einmal vorbei. Dabei ist eine Mehrheit der Ukrainer für einen Westkurs.
Körpergrösse nicht proportional zur Machtfülle: Wladimir Putin und Victor Janukowitsch im Kreml. /


Viele Menschen haben genug von der massiven Korruption und Vetternwirtschaft in ihrem Land - und sehen zugleich, welchen Aufschwung etwa das Nachbarland Polen seit seinem EU-Beitritt genommen hat. Selbst eine regierungsnahe Umfrage sieht die Zustimmung zum Assoziierungsabkommen mit Brüssel bei 46 Prozent - im Gegensatz zu 36 Prozent für die Zollunion.
Diese Möglichkeit lag auch für Janukowitsch auf dem Tisch. Doch auf starken Druck Russlands verweigerte der Präsident ein Abkommen mit der EU in letzter Minute und sucht sein Heil nun im Osten. «Ohne den politischen Willen des russischen Präsidenten Wladimir Putin wäre diese fruchtbare Arbeit, wäre die heutige Vereinbarung unmöglich gewesen», sagt Janukowitsch.
Leviten gelesen
Kurz zuvor hatte Putin seinem fast 30 Zentimeter grösseren Kollegen die Leviten gelesen. «Wir beobachten seit zwei Jahren einen gewissen Rückgang im Handelsumsatz», dozierte Putin, während Janukowitsch beflissen nickte. «Im vergangenen Jahr um 11 Prozent, in diesem Jahr um weitere 14,5 Prozent.»
Das müsse sich dringend ändern, warnt Russlands starker Mann. Dabei ist ein Teil der Einbussen auch auf russische Muskelspiele zurückzuführen, mit denen Moskau den Druck auf Kiew erhöht hatte. Dadurch lagen die ukrainischen Exporte in die EU in den ersten neun Monaten 2013 erstmals seit langem über dem Russland-Geschäft. Das dürfte sich nun wieder ändern.
Für den Kremlchef ist der Abschluss des Milliardenvertrags ein Triumph im Ringen mit der EU um den zweitgrössten Flächenstaat Europas. Der aus dem russischsprachigen Osten der Ukraine stammende Janukowitsch hat sich eindeutig entschieden. Der Weg nach Westen scheint vorerst verstellt.