Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 18. Dezember 2013 / 10:04 h
Mit: «Der Führer schützt das Recht» und «Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand herrscht» legitimierte der nationalsozialistische Vordenker Carl Schmitt, der weiterhin an den deutschen Universitäten ziemlich unkritisch gelehrt und verehrt wird, die Diktatur Hitlers. Die Auswirkungen der Unrechtssätze der Nationalsozialisten sind bis heute zu spüren. Wir haben erst kürzlich darüber im Zusammenhang mit der Raubkunst im Fall Gurlitt berichtet. Recht ist nicht nichts. Selbst wenn es in einem Unrechtsstaat formuliert wurde. Nach einer allfälligen Demokratisierung prägt der vorherige Unrechtsbestand immer noch viele Bereiche.
Die Moderne zeichnet sich dadurch aus, dass nichts so schwer zu ändern ist, wie das geltende Recht. Dies hat Vorteile und dies hat Nachteile. Der grosse Nachteil besteht darin, dass kaum mehr Veränderungen möglich sind. Jede Generation muss immer wieder all den Mist, den ihnen die Eltern überlassen haben, übernehmen. Es sei denn, sie schlagen das Erbe aus, d.h. sie gestalten ihre Gegenwart völlig unabhängig von ihren Eltern. Das nennt man dann Revolution.
Der Vorteil, dass Recht kaum zu ändern ist, besteht in der Stabilität der Entscheide und in einem bestimmten Schutz vor Willkür. Das war die grossartige Leistung jedes modernen Rechtsstaates: Keine Willkür!
Tja. Seit dem Fall der Mauer hat sich ein Rechtsverständnis eingeschlichen, welches nur noch Nachteile bringt. Der Verfassungsbruch durch alt-Bundesrat Merz beispielsweise wurde nie gesühnt und wirkt bis heute nach. Es gibt seitdem auch in der Schweiz ein Recht auf Willkür. Deshalb erlaubt sich das schweizerische Parlament auch, die so weitreichenden Veränderungen durch den Freihandelsvertrag Schweiz-China einfach jeder Rechtssprechung und Demokratie zu entziehen.
Womit wir bei einem weiteren globalen Rechtsnachteil wären. Das internationale Handelsrecht bricht seit 25 Jahren jedes nationale Grundrecht, ohne dass daraus erhebliche rechtliche und politische Konsequenzen gezogen würden. Das globale Wirtschaftsrecht, welches sich durch Macht und nicht durch Recht definiert, ist nur noch Willkür. Es kennt keine Regeln ausser denen, welche durch die Mächtigen ausser Kraft gesetzt werden.
Aus einer Zeit, als Präsidenten noch nicht über dem Recht standen: Richard Nixon gibt die Transkriptionen der Bänder frei, die zu seinem Sturz führen werden. /


Doch zurück zu Barack Obama. Dieser bricht nicht nur Wahlversprechen, sondern - wie die Aussage von Richter Leon zeigt - locker und easy auch amerikanisches Verfassungsrecht. Obama behauptet aber absurderweise das Gegenteil. Jeden Tag versichert er, dass sich die NSA wie jede andere staatliche Organisation auch (sic!) an geltendes US-Recht halte. Da Obama dabei gut aussieht, lassen ihn die Medien immer wieder davonkommen.
Chelsea Manning, Julian Assange und Edward Snowden hingegen müssen mit ihrem ureigenen Sein und Leben den Preis dafür zahlen, dass Obama das Gegenteil dessen tut, was er in den Wahlen versprochen hat, nämlich die Whistleblowers zu schützen. Sie erfahren darüber hinaus, was es heisst, wenn ein US-amerikanischer Präsident Recht bricht. Sie werden mit Wehmut in den Geschichtsbüchern über Watergate lesen und realisieren: Hier ist ein Mann an der Macht, der nicht nur wie gedruckt und wohlformuliert lügen kann, sondern so ruchlos ist, wie kaum einer vor ihm. Obama bricht jeden Tag amerikanisches Verfassungsrecht, indem er all die Menschen bedroht, verfolgt und ins Gefängnis steckt, die aufzeigen, wie das amerikanische Militär und wie die NSA geltendes Recht mit Füssen treten. Der Unterschied von Barack Obama zu Richard Nixon ist: Obama hat sich früh genug darum bemüht, den Rechtsbruch als «rechtmässig» zu definieren. Und er kommt damit kritiklos durch. Immerhin wehren sich nun einige Richter. Endlich. Doch werden sie irgendetwas an der uneingeschränkten Macht Obamas gegen geltendes Recht ausrichten können? Wohl kaum. Zu oft schon ist Barack Obama mit seinem Schutz von Willkür gegen Recht durchgekommen.
Klar doch. Barack Obama wird mit einer gewissen Verärgerung zur Kenntnis nehmen müssen, dass sein totalitärer Sicherheitsstaat vor der amerikanischen Verfassung nicht standhält. Er wird sich mit einer gewissen Nervosität daran erinnern, dass Bundesgerichtsentscheide nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sind. Schliesslich war es ein Bundesgerichtsentscheid von 1954, der es letztlich ermöglicht hat, dass ein Barack Obama überhaupt Präsident werden konnte. Barack Obama wird sich aber in seiner künftigen Politik des allumfassenden Sicherheits- und Finanzstaates auch durch ein Bundesgerichtsurteil nicht irritieren lassen oder gar Edward Snowden begnadigen. Barack Obama hat Carl Schmitt gelesen. Und jeden Tag handelt er nach der Maxime: «Der Präsident schützt das Recht» und - punkto NSA und Verfassung - :«Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand herrscht». Gnade uns Allen, dass sein Beispiel nicht noch stärker Schule macht. Putin, Xi Jinping und der schweizerische Bundesrat sind Obamas Unrechtsverständnis in manchen Bereichen schon längst gefolgt.