Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Dienstag, 1. Juli 2014 / 13:14 h
Wer positive Dinge sieht, verbreitet auch mehr positive News, wer negatives sieht, wird auch negatives weitergeben und wer emotionslose Inhalte bekommt, mag nicht mehr interagieren. Die Resultate des grossen Facebook-Versuches (dem jeder FB-Nutzer in den 9000 Worte langen Datenschutzbestimmungen zugestimmt hat - alle Aufstrecken, wer die gelesen hat!), sind soweit so banal und nachvollziehbar. Und kleine Kätzchen kamen bei dem Versuch scheinbar auch nicht zu Schaden.
Die Empörung darüber hingegen ist schon fast exquisit absurd. Die «Welt» findet es zum Beispiel furchterregend, das Facebook den Newsstream, welchen der Nutzer vorgesetzt bekommt, auf einmal anders manipuliert als sonst. Denn das war genau das. Einfach etwas anders manipuliert.
Der Newsstream wird von Facebook so gestaltet, dass möglichst viele Leute möglichst lange vor dem Bildschirm/Tablet/Handy sitzen und so viele Meldungen wie möglich schreiben, so viele Interaktionen, wie nur möglich durchführen und dabei so viele kostenpflichtige oder durch Anzeigen finanzierte Aktionen wie möglich auslösen.
Um bei dem «Welt»-Artikel zu bleiben, erwähnt der Autor diese Tatsache natürlich, stellt dann aber die Frage, «was solche Unternehmen mit ihren Usern tun dürfen, ohne sie vorher zu fragen.» Der Haken ist ein klitzekleines Detail, das der Autor vergessen hat: Facebook hat dieses mal einfach - vermutlich aus einer Art «Wow-Sind-Wir-Aber-Clever»-Hybris heraus - den Entschluss gefasst, zu sagen, dass hier gezielt manipuliert worden ist. Normalerweise - wenn die Motive nämlich offensichtlich kommerziell sind - erfahren wir diese weder noch wird es uns wirklich bewusst, genau so wenig wie den «Versuchskaninchen», denen allen vermutlich kein bleibender Schaden zugefügt worden ist (was das Wort «Versuchskaninchen» als ziemlich krasse Übertreibung da stehen lässt, bedenken wir, wie es jenen Nagern meist ergeht.)
Was Facebook hier machte war nicht nur eine schamlose Manipulation der Inhalte (welche Tag für Tag passiert), sondern die Zerstörung der süssen Illusion, dass auf sozialen Netzwerken und speziell Facebook die Realität abgebildet wird. Dass der Autor erst nach dieser Offenlegung dieser Studie fragt, was sich wohl in anderen Psychostudien an Manipulationsmethoden findet - und der allgemein geäusserten Empörung zu Folge ist er da nur einer von vielen - zeigt vor allem ein sehr merkwürdiges Bild dieser sozialen Unternehmen in den Köpfen vieler Anwender.
Facebook Newsfeed: Manipulation ist eingebaut. /


Denn für Facebook gilt wie für alle Social Media Unternehmen, dass sie vor allem Geld machen wollen, handelt es sich doch zumeist um börsennotierte Firmen, deren Aktionäre Dividenden und Kursgewinne sehen wollen. Die Aufgabe von Facebook ist es daher primär, das Produkt (sprich die Interaktion der Anwender unter sich und mit den Anzeigenkunden) so aktiv und ergiebig wie möglich zu halten. Und dazu gehört auch, den durch die schiere Masse der Meldungen ohnehin zu stutzenden Newsfeed so zu gestalten, dass der Geschäftszweck erfüllt wird und die User glauben, genau das zu sehen was für sie wichtig ist (während sie viel Wichtiges in Tat und Wahrheit gar nicht zu sehen bekommen) und so fleissig postende User bleiben.
Nein, der «Versuch» ist nicht empörender als das, was wir täglich von Facebook und seinen kleineren Konkurrenten vorgesetzt bekommen. Der Unterschied ist nur der, dass scheinbar erst jetzt vielen bewusst geworden ist, einer ständigen Manipulation unterworfen zu sein, die konstant verfeinert und perfektioniert wird, mit dem Ziel das Betriebsergebnis zu verbessern.
Die Tatsache, dass sich einige IT-Redakteure von Zeitungen erst jetzt dieser Tatsache bewusst werden, ist hingegen wahrlich erschütternd. Auch verwunderlich: Nur selten wurde als Resultat dieser sensationellen (von Facebook selbst orchestrierten) Enthüllung als logische Konsequenz gefordert, dem Sozialen Netzwerk Nr. 1 sofort den Rücken zu kehren und das dortige Nutzerkonto zu löschen. Denn niemand ist gezwungen, sich auf FB die Zeit zu vertreiben und sich ein getürktes Bild seiner sozialen Umwelt vorspiegeln zu lassen.
Doch der Spass daran scheint zu gross zu sein, um es sein zu lassen - trotz Manipulation. Und das - das ist das wirklich furchterregende an der ganzen Sache.