Andreas Kyriacou / Quelle: news.ch / Freitag, 21. November 2014 / 15:07 h
U. M. absolvierte eine kaufmännische Lehre und erwarb anschliessend das eidgenössische Buchhalterdiplom. Danach wurde er Bauernlobbyist und später selbständiger Kleingewerbler. Profunde Kenntnisse des Völkerrechts bringen in diesen Berufen keinen Wettbewerbsvorteil, es ist also U. M. nicht zu verargen, dass er nicht versteht, dass die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten kein Wunschprogramm ist. Die Ratifizierung der Konvention als Ganzes ist eine Voraussetzung dafür, dass ein Staat dem Europarat angehören darf. Ein Staat, der diese Grundrechte seinen Bürgern nicht gewähren will, ist ein Unrechtsstaat. Es ist kein Zufall, dass Weissrussland und der Vatikan als einzige Länder des Kontinents nicht Europaratsmitglieder sind, dass Spanien und Portugal wie auch die Staaten des ehemaligen Ostblocks erst Mitglieder wurden, als sie sich demokratische Strukturen gaben und und dass Griechenland vom Europarat suspendiert wurde, als es eine Militärdiktatur war.
Es ist auch nachzuvollziehen, dass einem Fachmann für Gemüseanbau nicht klar ersichtlich ist, dass die Konvention dem Einzelnen nur dann Schutz bieten kann, wenn deren Einhaltung durch die Unterzeichnerstaaten überprüft werden kann. Dafür braucht es ein von diesen Staaten unabhängiges Gericht, das von Personen angerufen werden kann, die der Meinung sind, das Land in dem sie leben, hätte ihre Grundrechte verletzt. Dies gewährleistet der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
Ungeliebt beim Gemüsefachmann U.M.: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte /


Und der stellt oftmals fest, dass sich die Staaten sehr wohl rechtskonform verhalten. Doch ab und an - je nach Staat häufiger oder seltener - gelangt er auch zur Ansicht, dass ein Staat die durch die Konvention geschützten Rechte nicht gewährt hatte.
Auch die Schweiz wurde schon mehrfach gerügt, vor allem bezüglich der Garantie auf ein faires Verfahren. Die Vereinheitlichung der Schweizerischen Strafprozessordnung durch ein Bundesgesetz im Jahr 2011 war mitunter durch diese Rügen ausgelöst und hat klar zu einer Verbesserung der Bürgerrechte geführt. Auch in materieller Hinsicht gewann ein Teil der Kläger gegen die Schweiz. So stellte Strassburg beispielsweise im Jahr 2009 fest, dass es diskriminierend sei, Männer mit leichter Behinderung gegen ihren Willen vom Militärdienst auszuschliessen, ihnen aber abzuverlangen, Militärpflichtersatz zu leisten. Dass die Armee im Jahr 2012 das Tauglichkeitsprofil «tauglich, felddienstuntauglich» einführte und nun darauf verzichtet, bei Personen, die beispielsweise an Diabetes leiden, einfach abzukassieren, sondern die Dienstpflicht auch als Dienstrecht anerkennt, ist eine direkte Folge dieses Urteils.
Möglich, dass U. M. dieses Urteil nicht behagte, denn nach seiner Lobbyarbeit für Bauern landete er auf verschlungenen Wegen im Bundesrat, und steht seither mit mässigem Erfolg für die Interessen der Armee ein. Ein richtig glückliches Händchen scheint er dabei nicht zu haben. Und für die Bauern aus Wernetshausen und anderswo kann er in diesem Amt auch nicht sonderlich viel herausholen. Es wäre wohl besser, er würde sich wieder auf die Lobbyarbeit für diese Kreise konzentrieren. Es wäre mit Garantie ein Gewinn. Vielleicht nicht für die Landwirte, sicher aber für den Status der Menschenrechte in der Schweiz.