Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Dienstag, 6. Oktober 2015 / 14:24 h
Als der Dichter Michael Beheim den Satz «Der furst mich hett in knechtes miet, ich ass sin brot und sang sin liet » schrieb, waren Geld und politische Macht noch oft am gleichen Ort zu finden. Und so waren es die Diener am Hof, die darauf achten mussten, wes Loblied sie anstimmten, um eine Kürzung ihres Honorars um ein paar Gulden - oder gar ihres Körpers um einen Kopf - zu verhindern.
Seither hat sich viel geändert. Nicht zuletzt die angebliche Trennung von politischer und finanzieller Macht, die vor allem vordergründig stattgefunden hat. In den USA findet unterdessen ja ein regelrechter Kampf um die Möglichkeit, über Wahlkampfspenden Politiker zu kaufen, statt. Seit der Oberste Gerichtshof die Schleusen für indirekte Wahlkampfspenden mit dem «Citizens United» Urteil für undurchsichtige Organisationen geöffnet hat, können Firmen mit anonymen Spenden sogenannte «Super PACs» (PAC = Political Action Committee) zu unterstützen. Diese Super PACs können praktisch unlimitiert Werbungen für oder gegen politische Kandidaten schalten, ohne direkt mit diesen liiert zu sein. Diese Pseudo-Trennung ist wichtig, denn direkte Spenden an politische Kandidaten sind in den USA auf $2700.- pro Spender begrenzt.
In der Schweiz hingegen ist die Sache für Spender viel leichter: Es darf soviel gegeben werden, wie man will, egal ob Privatperson oder Firma, ohne dass Politiker darüber Rechenschaft ablegen müssten. Dass dabei die Pharmaindustrie einiges springen lässt (Novartis ca. hälftig 1 Million Franken an Parteien und Verbände, Roche ca. Fr. 285'000 an 'liberale' Parteien und fallweise an Verbände) ist klar. Ebenso, dass die Banken noch grosszügiger sind und 2014 eine Million (CS) und sogar 1.8 Millionen (UBS) springen liessen, um Parteien zu beglücken, deren Politik bankenfreundlich ist. Doch diese Summen, die meist unter den bürgerlichen Parteien verteilt werden, sind vermutlich nur ein kleiner Teil der Unterstützung, welche die Parteien bekommen. Und von diesen weiss man vor allem, weil diese Spenden in den Bilanzen und Geschäftsberichten aufgeführt sind.
So sind diese Spenden nur Spitze des Eisberges, denn alle anderen, nicht in Bilanzen und Rechenschaftsberichten aufgeführten Unterstützungszahlungen an Parteien sind neben den Spendern und Empfängern selbst hingegen noch höchstens den Steuerbehörden bekannt.
Dies sei, so viele bürgerliche Politiker, nicht problematisch, ja sogar eine Grundlage der Schweizer Demokratie, da es jedem Bürger so ohne Bedenken freigestellt sei, jene Politiker, die ihm oder ihr am Herzen lägen, zu unterstützen, ohne sich irgendwie rechtfertigen zu müssen. Doch ebenso könnte man behaupten, dass hier der Korruption Tür und Tor geöffnet werden mit Abhängigkeiten und verborgenen Verpflichtungen.
Stimmmaterial der Eidgenössischen Wahlen: Finanzielle Ingredienzien unbekannt. /


Dagegen waren die einst in der Politik tätigen Firmenpatrons ja geradezu Leuchttürme der Integrität.
Heute wähle man ausserdem das Parteiprogramm und das sei ja ziemlich genau umschrieben, heisst es jeweils, wenn die Offenlegung der Spender, wie jetzt zum Beispiel in der von der SP angeschobenen Parteifinanzierungsinitiative, gefordert wird. Doch so einfach ist das nicht. Zwar werden mit den grossen Initiativen und Referenden der offiziellen Parteilinie entlang politische Entscheide gelenkt. Doch sehr viele Sachgeschäfte, die in Kommissionen vorbereitet, beraten, umgeschrieben, verwässert oder eingedampft werden, sind nur zum Teil von Parteilinien, sondern vom Einsatz der einzelnen Parlamentarier bestimmt. Die Gestaltung von Arzneimittelpreisen, Pensionskassengesetzen und Haftungsbestimmungen für Konsumgüter werden hier in Verordnungen und Gesetze gegossen. Hier sind es jeweils wenige Parlamentarier, die auf Jahre hinaus den Alltag von Frau, Herr und Kind «Schweizer» bestimmen. Im Vorfeld der Wahlen kann es hilfreich sein, mit einer Spende für die Partei, die Listenposition von einem genehmen Kandidaten zu optimieren und auch sein persönliches Wahlkampfkässeli ein wenig zu stopfen. Eine solche Investition kann, ist der Mann oder die Frau erst mal (wieder-)gewählt und in der richtigen Kommission, ein unglaubliches Return on Investment erbringen.
Kommt noch dazu, dass jeder Parlamentarier zwei Leuten den Zutritt zur Wandelhalle des Bundeshauses und so zu allen verschaffen kann. Vielfach sind es Lobbyisten der Wirtschaftsverbände, die zum Handkuss kommen. Economie Suisse, Treuhandverband, Autoverbände und Pharmaverbände werden von bürgerlichen Parlamentariern bevorzugt, Interessenverbände für Mieter, Naturschutz und Gewerkschaften von linken Parlamentariern. Auch hier darf hinterfragt werden, nach welchen Kriterien diese Freipässe vergeben werden - denn der Wert dieser «Eintrittskarten» kann gewaltig hoch sein, wenn es um Steueramnestien, Patentfristen für Medikamente oder um das Bankgeheimnis geht, denn der direkte Zugang zu Parlamentariern während der Sessionen kann entscheidende Stimmen bringen, um Gesetze zu blockieren oder durch zu bringen. Zur Ehrenrettung: nicht wenige Parlamentarier verteilen keine, oder nur Zugangspässe für persönliche Mitarbeiter.
Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen der SP-Initiative (die zudem Spenden bis zu 10'000 Franken nicht betreffen würde) eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Das Argument, Parlamentarier würden in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt, wenn erst mal bekannt wäre, wer sie unterstützt, ist armselig. Genau so wie bei den Zutaten von Lebensmitteln sollten auch die (finanziellen) Ingredienzien von Parlamentariern dem Wähler bekannt sein. Problematisch wäre das für einen Politiker ja erst, wenn Zuwendungen und Abstimmungsverhalten so offensichtlich im Zusammenhang stünden, dass davon ausgegangen werden müsste, dass er korrupt ist.
Und das ist ja wohl niemand im Parlament, oder? Eben!
Noch einmal kurz zurück in die USA. Der überraschende Herausforderer von Hillary Clinton, Bernie Sanders, der Senator von Vermont, hat im Vorwahlkampf ganz ohne grosse Parteispender fast gleich viel Geld wie die von vielen Interessengruppen getragene Clinton gesammelt und bereits 40 Millionen Dollar erreicht - wobei er praktisch nur Kleinspenden unter 100 $ bekommen hat - von 650'000 Spendern, die auch sicher für Ihn stimmen werden.
Basierend auf diesen Zahlen kann man wohl auch von Sanders sagen, dass er ein gekaufter Politiker wäre. Aber einer, der von seinen Wählern, und nicht von den Lobbies gekauft worden ist.
«Gekauft von der Wählerschaft!» Wäre doch mal ein Wahlkampfslogan, der auch in der Schweiz Lust zum Abstimmen machen würde.