Um das Ziel einer klimaneutralen Schweiz bis 2050 zu erreichen, sind Strategien und Prozesse erforderlich, die eine negative CO2-Bilanz aufweisen. Diese sogenannten
Negativemissionstechnologien (NET) sollen die voraussichtlichen verbleibenden Emissionen im Jahr 2050 ausgleichen und letztendlich zu einer «Netto Null» Emissionsbilanz führen. Besonders der Baubereich, einer der Hauptemittenten von Treibhausgasen, ist in der Verantwortung. Die Zementherstellung allein verursacht etwa acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig gibt es erste Bestrebungen, den Bausektor aufgrund seines hohen Ressourcenverbrauchs als potenzielle Kohlenstoffsenke zu nutzen. Dies kann erreicht werden, indem wir «mit CO2 bauen», d.h. Kohlenstoff zur Herstellung von Baumaterialien verwenden und ihn langfristig aus der Atmosphäre entfernen. Um solche Visionen in Zukunft Realität werden zu lassen, ist umfangreiche wissenschaftliche Vorarbeit erforderlich - wie sie derzeit im «Concrete & Asphalt Lab» der Empa geleistet wird. Ein Team unter der Leitung von Abteilungsleiter Pietro Lura entwickelt ein Verfahren zur praktischen Integration von Pflanzenkohle in Beton.
Schwierigkeiten aufgrund der Porosität
Pflanzenkohle entsteht durch einen pyrolytischen Verkohlungsprozess unter Luftabschluss. Sie besteht grösstenteils aus reinem Kohlenstoff, den die Pflanzen während ihres Wachstums in Form von CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen haben. Im Gegensatz zur Verbrennung von Pflanzen bleibt das CO2 in der Pflanzenkohle langfristig stabil. Derzeit gibt es bereits Betonprodukte auf dem Markt, die Pflanzenkohle enthalten. Allerdings würde die Kohle oft unbehandelt in den Beton eingebracht, was zu einigen
Problemen führen kann, so Empa-Beton-Forscher Mateusz Wyrzykowski.
Beton ohne Emissionen: Empa-Forscher Mateusz Wyrzykowski (rechts) und Nikolajs Toropovs. /

20 Volumenprozent Kohlenstoff-Pellets (schwarz) resultieren in Netto-Null-Emissionen. /


Die poröse Struktur der Pflanzenkohle führe dazu, dass sie nicht nur viel Wasser, sondern auch teure Zusatzmittel, die bei der Betonherstellung verwendet werden, absorbiert. Zudem sei die Handhabung schwierig und birge gewisse Gefahren wie Atemwegsbeschwerden und Explosionsrisiken.
Pellets als Lösung
Aus diesen Gründen schlagen die Forscher in ihrem kürzlich veröffentlichten Artikel im «
Journal of Cleaner Production» vor, die Pflanzenkohle zu Pellets zu verarbeiten. Leichte Gesteinskörnungen aus anderen Materialien wie Blähton oder Flugasche werden bereits hergestellt und verwendet. Das Fachwissen im Umgang mit diesen Materialien ist in der Branche vorhanden, daher steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer praktischen Umsetzung dieses Konzepts, so Wyrzykowski.
Für die Herstellung der Pellets verwendete das Team einen Rotationsmischer, in dem sie Pflanzenkohle mit Wasser und Zement vermischten. Durch die Rotation entstanden kleine Kügelchen mit einem Durchmesser zwischen 4 und 32 Millimetern. Diese Pellets wurden wiederum zur Herstellung von Normalbeton der Festigkeitsklassen C20/25 bis C30/37 verwendet, welche heute im Hoch- und Tiefbau am weitesten verbreitet sind. «Mit einem Anteil von 20 Volumenprozent Kohlenstoffpellets im Beton erreichen wir Netto-Null-Emissionen», sagt Mateusz Wyrzykowski. Das bedeutet, dass die gespeicherte Menge an Kohlenstoff alle Emissionen ausgleicht, die bei der Produktion der Pellets sowie des Betons entstehen. Obwohl man wahrscheinlich auch bei Normalbeton (mit einer Dichte zwischen 2000 und 2600 kg/m3) mit einem Anteil von 20 Volumenprozent noch nicht die Grenze erreicht hat, wird das negative Emissionspotenzial bei Leichtbeton (mit einer Dichte von ca. 1800 kg/m3) besonders deutlich: Ein Anteil von 45 Volumenprozent Kohlenstoffpellets im Beton führt zu insgesamt negativen Emissionen von minus 290 kg CO2/m3. Zum Vergleich: Herkömmlicher Beton schlägt mit plus 200 kg CO2/m3 zu Buche.
Kohlenstoff aus der Atmosphäre
Für Abteilungsleiter Pietro Lura ist die Forschung in seinem Labor ein entscheidender Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Als wichtigste Quelle für Kohlenstoff betrachtet er nicht primär die Pflanzenkohle, die als Modellmaterial in der aktuellen Forschung diente. Vielmehr richtet er den Fokus auf das umfassende Konzept des «
Mining the Atmosphere», dem mehrere Forschungsabteilungen an der Empa folgen: die Produktion von synthetischem Methangas mithilfe von Sonnenenergie, Wasser und CO2 aus der Atmosphäre in sonnenreichen Regionen der Erde sowie die anschliessende Pyrolyse des Gases. «Dadurch gewinnen wir Wasserstoff, den wir als Energieträger in Industrie oder Mobilität nutzen können, und festen Kohlenstoff, den wir - ähnlich wie bei der Pflanzenkohle - zu Pellets verarbeiten und in den Beton einbringen können», erklärt Lura.