Kommentar von Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Mittwoch, 31. März 2010 / 09:53 h
OK. Es tönt vielleicht weit daher geholt: Die in Michigan vom FBI verhaftete paramilitärische Gruppe der «Hutarees» und die mutmasslichen Nord-Kaukasischen Bombenleger haben einiges gemeinsam, auch wenn sie mehr als nur ein Ozean und einiges an Festland trennt.
Natürlich – die Umstände in denen die Kaukasier und die Leute aus Michigan leben, können nicht verglichen werden. Tschetschenien und der Nordkaukasus befinden sich seit fast zwei Jahrzehnten im Bürgerkrieg während der Südwesten von Michigan und der Norden von Indiana und Ohio, wo dieser bewaffnete Fundamentalisten-Kult herkommt, früher «Steel-Belt» hiess, heute aber nur noch «Rust-Belt» (dt. Rost) genannt wird - ein Sprach-Bild, das den Niedergang drastisch verbildlicht.
Vergessene Regionen
Die Unterschiede gehen noch weiter. In den USA existieren die unterschiedlichen Ethnien relativ homogen zum Staat, während sich der Kaukasus durch andere Bevölkerungsgruppen und eine zum Teil andere Religion vom Rest Russlands stark unterscheidet.
Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten. Beides sind vergessene Regionen, Regionen, die unter normalen Umständen nicht auf dem Radar der Öffentlichkeit auftauchen würden. Es sind Regionen, wo Menschen ihre Identität vielfach in Religiosität und tiefem Glauben suchen, weil sie hoffen, dass wenigstens ihr Gott sie nicht vergisst, sie wenigstens ihren Glaubensgefährten nicht egal sind, wenn es schon den Rest der Welt nicht zu kümmern scheint, dass sie keine Arbeit oder keinen Frieden mehr haben.
Hoffnungslosigkeit
Die grosse Gemeinsamkeit ist – wenn auch auf unterschiedlichem Niveau – die Hoffnungslosigkeit.
So trainieren christliche Fundamentalisten der Hutaree, unterlegt mit martialischer Heavy-Metal-Musik auf YouTube. /


Das Gefühl, ja das Wissen, ungerecht Behandelt zu werden. Diese Kränkung und Demütigung sind universelle Gefühle, die überall Hass, Wut und die Bereitschaft zu Gewalt hervorbringen können. Kommt noch grosse wirtschaftliche Not dazu, fehlt nicht mehr viel zu einem Aufstand. In der zerbröckelnden UdSSR war das schon vor zwanzig Jahren der Fall und die totalitäre Logik der Regierung in Moskau verstärkte die Bewegung im Kaukasus noch.
Die Rezession hat nun auch in dem vergessenen Herzen der USA viele Menschen in einen fundamentalistischeren Glauben getrieben. Kombiniert mit dem Waffenkult, der dort ohnehin heimisch ist, kann dies zu einer explosiven Mischung führen, wie dies die «Hutarees» zeigen. Sicher, die Situation ist bei weitem weniger gefährlich als diese im Kaukasus. Aber diese Gruppen müssen, so irr sie einem auch scheinen, ernst genommen werden. Doch dazu gehört nicht nur, die Gruppen selbst zu bekämpfen, sondern auch die Ursachen, warum sich solche Kulte und Gruppen überhaupt etablieren können.
Vor 25 Jahren hätte auch niemand, was nun im Kaukasus passiert für möglich gehalten...