Einem Insider mit Kenntnis des aktuellen Ermittlungsstand zufolge haben die Hacker nämlich den Quellcode des Passwort-Systems «Gaia» gestohlen, das den Zugang zu Googles vielfältigen Webservices kontrolliert, berichtet die New York Times. Obwohl Google intern schnell auf diesen Diebstahl reagiert haben soll, könnte der Wert für die Hacker dennoch gross sein.
«Diese Angreifer hatten die nötigen Fähigkeiten, um den ursprünglichen Einbruch bei Google durchzuführen. Sie sind also sicher auch in der Lage, aus dem Quellcode verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen», meint der selbständige IT-Security-Consultant Thomas Mandl im Gespräch. Das liegt nicht zuletzt daran, dass den Hackern ein tieferes Verständnis des Systems möglich wird.
Aus China bis ins Code-Herz
Mitte Januar ging Google damit an die Öffentlichkeit, dass bei einem Hackerangriff aus China nicht näher definiertes geistiges Eigentum gestohlen worden sei. Dem aktuellen Bericht zufolge soll die Attacke mit einer Microsoft-Messenger-Nachricht an einen Google-Mitarbeiter in China ihren Anfang genommen haben. Über eine verseuchte Webseite haben die Hacker die Kontrolle über den PC des Mitarbeiters erlangt und sind in weiterer Folge bis zum Code-Repository von Gaia vorgedrungen.
Zwar haben die Angreifer angeblich keine Gmail-Passwörter gestohlen, doch wären diese Entwickler-Ressourcen ohnehin ein weitaus grösserer Schatz.
Mit dem Quellcode ergibt sich ein kompletter Überblick über die Architektur von Google. /


Denn dort würden sich wohl auch Informationen über bekannte, aber noch nicht geschlossene Sicherheitslücken in Googles Single-Sign-On-Lösung finden.
Freilich soll Google in den letzten Monaten seine Sicherheitsvorkehrungen allgemein nachgebessert haben. Mandl zufolge ist naheliegend, dass dabei auch grosses Augenmerk auf das Schliessen bekannter Gaia-Lücken gelegt wurde. Aber der Diebstahl birgt noch andere Risiken.
Tiefe Einblicke
Zum einen sitzen die Hacker damit praktisch an der Quelle, um neue Lücken zu finden. «Man kann Quellcode mit relativ geringem Aufwand auf Schwachstellen untersuchen», sagt Mandl. Er betont, dass es kommerzielle Tools zur Codeanalyse gibt und es plausibel wäre, dass auch die Google-Hacker solche Methoden nutzen. Freilich hat die Möglichkeit der automatisierten Code-Analyse auch das Unternehmen selbst, sodass sich die Angreifer damit nicht unbedingt einen grossen Wissensvorsprung sichern können.
Das grösste Problem könnten also die tiefen Einblicke in Gaia sein, welche die Hacker nun haben. «Mit dem Quellcode ergibt sich eine komplette Überblick über die Architektur», erklärt Mandl. Während Google zwar einzelne Komponenten leicht nachbessern kann, wäre ein grundlegender Umbau ein enormer Aufwand.
Ausserdem könnte ein genaueres Verständnis des Single-Sign-On-Systems die Entwicklung effektiver Social-Engineering-Attacken erleichtern, bei denen gar keine Schwachstelle im engeren Sinne, sondern letztendlich die Leichtgläubigkeit von Usern ausgenutzt wird.