Harald Tappeiner / Quelle: news.ch / Dienstag, 22. Juni 2010 / 13:03 h
Ob eine solche Intervention nach internationalem Recht zulässig wäre, ist gemäss Völkerrechtlerin Anne Peters aber umstritten. news.ch sprach mit der an der Universität Basel lehrenden Professorin.
news.ch:
Frau Peters, hätte eine militärische Kommandoaktion zur Befreiung von Rachid Hamdani und Max Göldi gegen das Völkerrecht verstossen?
Peters:
Grundsätzlich gilt das Gewaltverbot. Es darf kein Staat militärische Gewalt im Ausland anwenden, respektive einen anderen Staat überfallen. Es gibt aber eine umstrittene Ausnahme zu Rettung eigener Staatsangehöriger. Dies ist nach überwiegender Meinung aber nur zulässig, wenn es sich um eine Art Blitzaktion zur Geiselbefreiung handelt.
news.ch:
Wie definiert sich eine Blitzaktion?
Peters:
Die bekannten Fälle, wo das diskutiert wurde, waren Entebbe 1976 und Mogadischu 1977, als ein israelisches respektive ein deutsches Kommando Passagiere befreite, die von einer palästinensischen Organisation als Geiseln festgehalten wurden.
Ein Spezialdetachement der Schweizer Armee. /

«Umfang ist entscheidend»: Anne Peters. /


Ob man das als Selbstverteidigung eines Staats ansieht oder als ungeschriebene Ausnahme vom Gewaltverbot, ist ebenfalls umstritten.
news.ch:
Das waren allerdings Terrororganisationen. Bei Libyen könnte man sagen, dass es sich um einen Staat mit einer anderen Rechtsauffassung handelt.
Peters:
Ich würde sagen, dass das kein Unterschied macht.
news.ch:
Eine kleine Kommandoaktion in Libyen ist kein grober Verstoss gegen das Völkerrecht?
Peters:
Es wäre kein grober Verstoss. Umstritten ist der Umfang der Aktion. Dass eine mildest mögliche Kommando-Aktion zulässig ist, das ist im Wesentlichen anerkannt, wenn dies das letzte Mittel ist. Zum Beispiel hat sich Russland beim Konflikt mit Georgien 2008 auch darauf berufen, dass es russische Bürger retten musste: Das überschritt allerdings bei Weitem das Zulässige.
news.ch:
Hätte eine Schweizer Kommandoaktion in Libyen automatisch zu Komplikationen mit der EU oder arabischen Staaten geführt?
Peters:
Natürlich, es ist ein unfreundlicher Akt.
news.ch:
Die Schweiz ist Depositarstaat der Genfer Konvention. Ergäbe sich dadurch ein besonderes Problem aufgrund einer militärische Aktion?
Peters:
Das hat damit nichts zu tun. Es sind zwei verschiedene Rechtssysteme.