von Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 12. November 2010 / 12:13 h
Doch diesmal ist der Sumpf nur ein metaphorischer, das Pferd eine achtjährige Präsidentschaft und der Reiter ein alter Bekannter: George W. Bush.
Seine Autobiographie „Decision Points“ folgt nur kurze Zeit auf jene seines guten Freundes und Komplizen Tony Blair, der sich, genau so wie nun Bush, zwischen zwei Buchdeckeln reinwaschen wollte.
Bush setzt dabei – wenn man ersten Zusammenfassungen glauben will – seine Präsidentschaft praktisch nahtlos fort. An allem Schlechten sind die anderen Schuld und das, was schief ging, war ja ohnehin nicht so schlimm: Der unter falschen Prämissen begonnene Irak-Krieg, der danach jahrelang immer schlimmer verpfuscht wurde? Ein Erfolg. Das dabei aufgehäufte Defizit: Nicht der Rede Wert. Das katastrophale Krisenmanagement nach dem Hurrikan Katrina? Nicht Bush's schuld. Die ganzen Versäumnisse im Vorfeld von 9/11? Sicher nicht auf seiner Kappe. Die zum Finale seiner Präsidentschaft herein gebrochene Weltwirtschaftskrise? Konnte er natürlich nichts dafür. Folterskandal, Geheimdienstskandal, gigantisches Haushaltsdefizit, verfehlte Wirtschaftspolitik... nicht der Rede wert..
Dafür, dass er sich als grosser Entscheider – er bezeichnet sich gerne als «Decider» - darstellen will, hat er, auch wenn es um Schlüssel-Punkte seiner Amtszeit geht, die auch heute noch unser Leben grundsätzlich beeinflussen, äusserst wenig entschieden.
Sein Auftritt bei der Talkkönigin Oprah Winfrey, bei der er seine Biographie präsentierte, diente, wie auch das Buch selbst, einzig und alleine dem Zweck, das Bild, dass er damals abgegeben hat, vergessen zu machen und seine konservative Politik im Nachhinein als Erfolg und sich selbst als den 'Good Guy' zu verkaufen. Dies hat keineswegs nicht nur egoistische Gründe.
Als sie noch Geschichte schrieben - und nicht nur um-schrieben: Autobiographen Blair und Bush. /


Es geht vielmehr darum, das völlige Versagen in der Bush-Zeit nun seinem Nachfolger und externen Umständen in die Schuhe zu schieben und so seine Art des Politisierens als bessere Alternative zur gegenwärtigen darzustellen.
Sicher, Obama hätte einiges, ja vieles besser machen können und müssen. Andererseits will man gar nicht wagen, sich zu überlegen, was bei einer Fortsetzung der Bush-Politik passiert wäre. Genau diese Vorstellung soll nun mit solchen Biographien, die mit riesigem Tamtam auf den Markt geworfen werden, neu geformt werden.
Neurologen wissen, dass Erinnerungen plastisch sind und durch neue Eindrücke beeinflusst und verändert werden. Wenn jemandem überzeugend die Erinnerung, in Disneyworld Duffy Duck und Bugs Bunny gesehen zu haben, suggeriert werden kann, dann lässt sich auch die Geschichte produzieren, dass die Rezession erst unter Obama begonnen hat und das man keine Ahnung davon hatte, selbst die Informationen zu Massenvernichtungswaffen im Irak manipuliert gehabt zu haben, um die Invasion zu rechtfertigen. Die Legende muss nur genug häufig erzählt werden. Und die interessierten Massenmedien werden dies auch machen.
Wenn sich Bush zudem als einfacher Bürger darstellt, als Mann des Volkes und er sich bei den Lesern mit seiner Alkoholiker-Geschichte anbiedert, dann wird endgültig klar, dass es nur darauf ankommt, eine gute Story zu verkaufen.
Die nächste Folge dieser Geschichtsklitterung wird schon bald folgen: Dick Cheney, Vizepräsident über Bush, wie es so schön hiess, wird seine Version der acht ersten Jahre dieses Jahrtausends vermutlich auch in den Dienst der Tatsachenverdrehung stellen.
Früher hiess es, dass die Sieger die Geschichte schreiben. Doch unterdessen stimmt ebenso, dass Verlierer, die ihre Geschichte am besten unters Volk bringen, am Ende trotz allem die Sieger sein können. Ganz egal, wie jämmerlich sie eigentlich waren. Der Lügenbaron von Münchhausen wäre auf seinen Kollegen aus Crawford neidisch gewesen.