So habe die britische Regierung «harte und sofortige Massnahmen» befürchtet, falls al-Megrahi im Gefängnis sterbe, berichtete die britische Zeitung «Guardian» vorab.
Den Berichten der Diplomaten zufolge sprach der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi «aggressive» Drohungen aus und kündigte an, sowohl die wirtschaftlichen als auch die politischen Beziehungen mit den Briten einzufrieren, falls al-Megrahi nicht freigelassen werde.
«Sie hätten uns absägen können wie die Schweizer»
Aus den Depeschen geht auch hervor, dass sich die Briten von der Geiselkrise zwischen der Schweiz und Libyen haben beeinflussen lassen. Das Onlineportal «Tagesanzeiger.ch/Newsnetz» verwies am Mittwoch auf eine Depesche vom 28. Januar 2009.
Darin schreibt die US-Botschaft in Tripolis: Das «Versagen der Schweiz und Libyen», die Krise zwischen den Ländern zu beseitigen, habe den britischen Botschafter davon überzeugt, «dass die Konsequenzen, falls al-Megrahi im Gefängnis sterben oder seine Überweisung abgelehnt würde, harsch, unmittelbar und nicht leicht zu beseitigen wären.»
Falls die USA sich der Freilassung von al-Megrahi widersetze, dann «schätzt die Botschaft, dass US-Interessen ähnliche Konsequenzen tragen müssten (.....) wie im Fall der Schweizer».
Orchestrierte Demonstrationen befürchtet
Als Konsequenzen befürchteten die Diplomaten «vom Regime orchestrierte Demonstrationen» gegen die Botschaft, «Vergeltung» gegen US-Geschäftsinteressen und die «mögliche Behinderung» der Reisetätigkeit von US-Bürgern.
Als Grossbritannien schliesslich den Lockerbie-Attentäter begnadigte, gab sich der ehemalige britische Botschafter Vincent Fean erleichtert.
Gadaffi-Pappfigur in der römischen Ruinenstadt Al Khums in Libyen. /


«Sie hätten uns absägen können wie die Schweizer», sagte Fean laut einer US-Depesche vom 16. August 2009.
Einziger Täter
Der frühere libysche Geheimdienstagent war 2001 als einziger Täter für den Anschlag auf ein US-Flugzeug verurteilt worden. Die Maschine war 1988 nach einer Explosion über dem schottischen Ort Lockerbie abgestürzt. 270 Menschen kamen ums Leben.
Die schottische Regierung hatte ihn im August 2009 begnadigt und vorzeitig freigelassen, weil er wegen einer Krebserkrankung angeblich nur noch drei Monate zu leben hatte. Heute lebt er in Libyen im Kreise seiner Familie.
«Enormes Nachspiel»
Libyen habe den Briten «geradeheraus» gesagt, dass es ein «enormes Nachspiel» haben werde, wenn al-Megrahis Freilassung nicht problemlos ablaufe. Den Dokumenten zufolge soll sogar das diplomatische Personal der Briten in Libyen um sein Wohlergehen gefürchtet haben.
Die Begnadigung wirft bis heute immer wieder Fragen und Kritik auf. Im vergangenen Juli hatten vier demokratische US-Senatoren dem britischen Ölkonzern BP vorgeworfen, Druck auf die Regierung in London ausgeübt zu haben, um sich ein Millionengeschäft mit Libyen zu sichern. London stritt das ab.