Als Grund für die Datenentnahme nannte der Berliner Diplom-Informatiker gegenüber dem «Stern» die mangelnde Sicherheit der Daten. Assange sei mit politischen Motiven und «Grössenwahnsinn» dermassen beschäftigt, dass er keinen Wert mehr darauf legt, die Quellen der Daten zu schützen. Denn seit seinem Weggang, so Domscheit-Berg, sei die Website wieder auf dem anfänglichen technischen Stand. Und tatsächlich, die Homepage benutzt nicht einmal mehr eine einfache Verschlüsselung.
Domscheit-Berg beteuerte ausserdem, dass er Assange vor seinem Abzug von Wikileaks im September 2010 angeboten habe, die Daten auf einen sicheren Server zu übertragen. Da sich dieser angeblich dagegen weigerte, sah sich der langjährige Wikileaks-Mitarbeiter dazu gezwungen, die brisanten Daten in Sicherheit zu bringen und somit die Quellen zu schützen. Die von ihm entwickelte Software nahm er mit, da er mit dem momentanen Kurs von Wikileaks nicht mehr einverstanden ist.
Verstoss gegen die Hacker-Ethik
Weiterhin bezeichnet er die von ihm geschriebene Software als sein geistiges Eigentum - was ihn noch teuer zu stehen kommen könnte. Wikileaks geniesst enorme Unterstützung aus den Hacker-Kreisen, unter anderem aus der losen Gruppe «Anonymous» oder des «Chaos Computer Clubs». Nun vertreten aber all diese Kollektive eine grundlegende Ethik- und Rechtsidee, die jegliches Copyright ablehnt und die freie Verbreitung von Wissen propagiert. Mit den Aussagen über geistiges Eigentum und der Entwendung dieser Daten von Wikileaks wird sich Domscheit-Berg möglicherweise Feinde in seinem eigenen Milieu schaffen. Was Openleaks einige Schwierigkeiten bereiten könnte.
Assange in Schwierigkeiten
Gegenüber dem Stern sagte Domscheit-Berg weiter, dass er die Daten zurückgeben werde, sobald Julian Assange deren Sicherheit garantieren könne. Dieser wird jedoch kaum Zeit dafür finden. Momentan bewegt er sich mit einer elektronischen Fussfessel, wehrt sich gegen den Auslieferungsantrag der schwedischen Staatsanwaltschaft, bangt vor dem Zustandekommen einer Anklage der amerikanischen Geheimdienste und nun fallen ihm auch noch alte Mitarbeiter in den Rücken.
Die Reaktion des wutentbrannten Assange: Er heuerte den Berliner Anwalt Johannes Eisenberg an.
Julian Assange als Gesicht der Hacker-Szene, geknebelt von den Staaten. /


Dieser veröffentlichte kurz darauf eine Pressemeldung und drohte Domscheit-Berg mit einem Gerichtsverfahren, sollte er die Daten nicht umgehend zurückgeben. Ausserdem sei Wikileaks sicher und er werde gegen die Verleumdungen gegenüber seinem Klienten vorgehen, so Eisenberg. Wie sich die Rechtsprechung in diesem Fall entscheiden würde, bleibt vorerst unabsehbar, da es sich hierbei teilweise um illegal erworbenes Material handelt, die Veröffentlichung der Leaks sich in einer Grauzone der Legalität bewegt und mit Rudolf Elmer nun einer der «Whistleblower» in U-Haft sitzt.
«Inside Wikileaks»
Assange sei «So freigeistig. So energisch. So genial. So paranoid. So machtversessen. Grössenwahnsinnig», schreibt Domscheit-Berg in seinem Erfahrungsbericht «Inside Wikileaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt.», der am Freitag in den Bücherläden erscheint. Darin erfährt man wieder aufgewärmte Geschichten des «Public Enemy Nr. 1», der gerne mal einige Tage die selben Kleider trägt oder mit den Händen isst. Inwiefern das Relevanz für die Affäre Wikileaks-Openleaks oder die politische Einflussnahme von Wikileaks hat, wird dabei nicht erläutert.
Domscheit-Berg äusserte sich gegenüber dem Stern ausserdem auch zu den ominösen Daten der «Bank of America». Die Daten seien alt und «auch völlig unspektakulär». Die angedrohte Veröffentlichung könnte also genau so wenig bewirken, wie die verschlüsselte, als «Lebensversicherung» bezeichnete Datei, deren Passwort Assange bei seiner Verhaftung publik machen wollte. Was jedoch nie passiert ist.