Die Katholische Kirche habe nicht genug getan, um Missstände aufzudecken, sagte Werlen in einem am Montag veröffentlichten Interview mit der «Aargauer Zeitung». «Es wäre eine Herausforderung gewesen, zu zeigen, was uns wichtig ist: Sich um die Opfer kümmern, Täter korrekt behandeln, das Schlechte aufarbeiten.»
Solches Handeln wäre laut Werlen «ein konkreter Beitrag gewesen, die Problematik von sexuellen Übergriffen auch in anderen Kontexten offensiv anzugehen». Die beste Voraussetzung für die Prävention sei eine umfassende, transparente Aufarbeitung.
Martin Werlen, Abt des Klosters Einsiedeln. /

Aufdeckungen waren «ein Segen»
Für das Kloster Einsiedeln, dem Werlen vorsteht, sei die Aufdeckung von Übergriffen im Nachhinein ein Segen gewesen: Die Opfer hätten sich getraut, an die Öffentlichkeit zu gehen und hätten gemerkt, dass sie nicht alleine seien. Ein Segen sei die Aufdeckung auch für die Täter gewesen, denn ohne Aufarbeitung gebe es keine Heilung.
Für die Kirche habe sich die Aufdeckung ebenfalls als Segen erwiesen, «weil uns diese Erfahrung demütiger und wahrhaftiger gemacht hat».
Die Katholische Kirche - auch die Weltkirche - fahre mit angezogener Handbremse, sagte Werlen. Die Menschen interessierten sich für ihre Botschaft, aber in der Kirche fehlten «Visionen und der Mut, den Menschen und Situationen von heute auf Augenhöhe zu begegnen und bei Schwierigkeiten angemessen zu reagieren.»