Der investigative Journalismus der «News of the world»-Redakteure sei kaum vernünftig, urteilt der Münchner Kommunikationswissenschaftler Klaus Forster. «Jeder Journalist will aufdecken und eine interessante Story schreiben. Zu fragen ist jedoch, um welchen Preis?» Arroganz sei in Äusserungen von «News of the world»-Journalisten gegenüber Reuters zu erkennen, niemand aus der Redaktion habe etwas Unrechtes getan. «Was hier durchdringt, ist die Haltung: 'Wir haben die Daten und Abhörprotokolle und greifen sogar auf die Mailbox ein. Doch welche Folgen das hat, geht uns nichts an.'»
Super-GAU für Murdoch
Diese Abkopplung von der Realität gehöre zu den Hauptproblemen des Journalismus im angelsächsischem Sprachraum, so Forster. «Weit verbreitet ist hier das Ideal eines Journalismus, der neutral und objektiv über den Dingen steht. Streift er dabei alle Verantwortlichkeit für sein Tun und die Vorgangsweise ab, so heisst das die Öffentlichkeit niemals gut. Journalismus als Selbstzweck kann nur fatale Folgen haben.»
Die offensichtlichsten Schäden seien jene für die Zeitung und deren Mutterkonzern, der bereits jetzt mit Rücknahmen von Anzeigen zu kämpfen hat.
GAU für Rupert Murdoch: Mit der Schliessung versucht er vermutlich Kollateralschäden zu vermeiden. /


«Für Murdoch ist dies ein Super-GAU, nicht nur weil die juristische Aufarbeitung und Schadensersatzforderungen bis New York weitergehen könnten. Untergraben werden damit auch seine Bemühungen, neue Gebiete wie etwa Online-Journalismus als Geschäftsfeld zu erschliessen oder mehr Seriosität zu erreichen, was ihm etwa durch den Kauf des Wall Street Journals gelang.» Der drastische Schritt der Schliessung sei offensichtlich der Versuch, den Schaden zu begrenzen.
Berufsstand im Zwielicht
Eine Rufschädigung erleide jedoch auch der Berufsstand Journalismus allgemein, befürchtet der Münchner Kommunikationswissenschaftler. «Wenn etwa Boulevardblätter unrechtmässig in die Privatsphäre eingreifen und behaupten: 'Die Leute wollen doch nichts anderes', so stimmt das nicht. Irgendwann wird es den Menschen zu unappetitlich, als dass sie dafür Geld ausgeben möchten - finden sie doch voyeuristische Inhalte ohnehin gratis im Internet.»
«News of the world» und seine Aufarbeitung, in der sich auch andere Medien kritisch selbst zu überprüfen hätten, könnten für viele zu einem Schlüsselereignis werden, glaubt Forster. Dass der Skandal durch das «New York Times Magazine» und den «Guardian» aufgedeckt wurde, deute immerhin darauf hin, dass die Presse noch das Potenzial habe, sich selbst zu reinigen.
Zu ähnlichem Schluss kommt auch der Münchner Medienethiker Rüdiger Funiok gegenüber pressetext. «Der deutsche Pressekodex verbietet das Eindringen in die Privatsphäre - und auch der Zweck heiligt hier nicht die Mittel, wie man in anderen Fällen wie etwa der Watergate-Affäre argumentieren könnte.» Zu erhoffen sei nun eine öffentliche Klärung des Falles mit einer auch ethischen Diskussion darüber, wo die Grenzen des Journalismus liegen.