Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Montag, 8. August 2011 / 12:41 h
Leider ist die Sache viel klarer als man es sich je wünschen könnte: Die Tea Party ist von einem schwachen Präsidenten, der eine halbe Amtszeit trotz grosser Mehrheiten in beiden Häusern praktisch nichts gemacht hat, nach deren Halbzeit-Wahlsieg krass unterschätzt worden. Die Unentschlossenheit der ersten beiden Jahre wurde nun noch durch eine Beschneidung der Möglichkeiten - welche die Demokraten aber sowieso nie ausgenutzt hatten - ergänzt.
Das Resultat ist eine politische Katastrophe, in der eine radikale, angebliche Volkspartei und ein Präsident, der es nicht hinkriegt, ein klares Wort zu sprechen, die grösste Volkswirtschaft der Welt effektiv lähmen. Dies zum Nachteil von hunderten Millionen Arbeitnehmern und zum Vorteil von einigen hundert Milliardären.
Dass in dieser Katastrophe dazu noch jede Menge Bullshit verzapft wird - auch in der Schweiz - ist klar. Denn Schuldzuweisungen sind immer praktisch. Doch Fakten sehen anders aus. So hiess es an vielen Orten, die Tea-Party stehe eben für verantwortungsvolle Fiskalpolitik.
Verantwortungsvolle Fiskalpolitik besteht nicht darin, Ausgaben ohne hinschauen zu senken und die Zahlung von Schulden zu blockieren. In den Bush-Jahren wurden Steuererleichterungen verteilt, wobei diese scheinbar vor allem durch Superreiche ausgenutzt werden konnten, während die obere Mittelklasse zum Teil sogar mehr zahlen musste. Ein Effekt, der sich auch in der immer ungleicheren Einkommens- und Vermögensverteilung (ein internationales Phänomen, übrigens) zeigt. Die Schätzungen gehen auseinander aber es kann von etwa 2 Billionen Dollar ausgegangen werden, die der US-Regierung in den letzten Zehn Jahren entgangen sind.
Das Budget selbst lässt sich hingegen kaum noch kürzen, denn die USA lebt unterdessen nicht nur von geborgtem Geld sondern auch auf einer von den letzten Generationen geliehenen Infrastruktur und die Bildung in öffentlichen Schulen ist vielerorts ein schlechter Witz.
Der Präsident der traurigen Gestalt: Obama: Kein Machtwort, keine Initiative, keine Führung. /


Die einzigen grossen Budgetposten sind noch die Sozial- und die Krankenversicherung und das Militär.
Dass Reformen in diesen Gebieten regelmässig von jenen torpediert werden, welche Budgetkürzungen fordern, und diese somit verunmöglichen, ist purer Zynismus. Doch das US-Gesundheitswesen ist eine perfekte Einkommensquelle für die Pharmaindustrie und am Militär hat sich so mancher Superreiche noch ein wenig reicher gemacht. Auch aussichtslose Rüstungsprogramme sind fast nicht Tod zu kriegen, weil sonst auf einmal Wahlkampfspenden fehlen.
Der Mittelstand hingegen erlebt seinen Abstieg, wobei die Zahlen ganz klar sind: Die Reichen werden - auch unter Obama - immer reicher, während die anderen - über 95% - immer weniger vom Kuchen haben. (Wenn nun auch in der Schweiz eine aktive Förderung dieser Art von Umverteilung von einer «Volkspartei» gefordert wird, dann grenzt dies schon an Wahnsinn. )
Die reine Staatsherrschaft ist ein Irrweg, dies ist klar. Aber die Demontage des Staates zugunsten jener, die ohnehin schon das meiste haben, ruiniert eine Volkswirtschaft nachhaltig.
Der Autor hält von den Praktiken der Ratingagenturen nicht besonders viel, vor allem weil diese zu einem grossen Teil an der momentanen Katastrophe schuld sind, als sie einst toxische Papiere mit Top-Ratings ausstatteten und so die Exzesse und den anschliessenden Kollaps mit verursachten. So ist denn dieses Downrating an sich eine Frechheit. Doch hier geht es weniger um das Geld an sich, sondern um die Handlungsfähigkeit der USA. S&P hat nicht die USA, deren Demokratie und Institutionen abgewertet, sondern jene, die in den USA mit ihr Schindluder betreiben und ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. In diesem Sinne hätte S&P Obama eine B und der Tea Party eine CCC verpassen sollen. Doch leider gibt es noch keine Ratings für Parteien und Politiker.