David Nägeli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 26. Oktober 2011 / 16:45 h
«Die Geschichte des Euros ist gewiss keine Geschichte des Misserfolgs», eröffnete Juncker den Abend, zu dem auch ranghohe Schweizer Politiker oder UBS-Präsident Kaspar Villiger erschienen waren. In einer kurzen Retrospektive erläuterte er die diversen Erfolge, die die Währungsunion seit ihrem Beginn verzeichnen konnte. Dazu gehört ein beeindruckendes Wachstum des Handels im Euro-Raum von bis zu 15 Prozent, das Schaffen von zehntausenden von Arbeitsplätzen und eine Senkung der Inflation.
Mit einem Blick auf die Nachkriegszeit in Europa bemerkte Juncker, dass die Tendenz der Presse, sich seit Monaten auf die Negativaspekte des Euros zu fixieren, realitätsfremd und der Sache klar unangepasst sei: «Der Euro ist ein Erfolg!» Auch ein Zweifeln an der Wirkungsfähigkeit des Euro-Rettungsschirms sei nicht gerechtfertigt: Irland habe sein Defizit seit Einstieg in das Rettungsprogramm um die Hälfte reduziert - die Medien richten die Aufmerksamkeit jedoch lieber auf die anhaltenden Krisenländer, statt die Sanierung zu betrachten.
Griechenland auch selbstverschuldet
Den drohenden Staatsbankrott in Griechenland sieht er als Resultat der weltweiten Schuldenkrise, die durch Missstände im griechischen Staat katalysiert wurde. So wies er auf grobe Mängel im System des griechischen Grundbuches hin: Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten organisieren die Griechen den Landbesitz nämlich nach Personen, statt nach Objekten. So wird die Recherche nach dem möglichen Eigentümer (oder sogar doppelten Eintragungen eines Grundstückes) und der Handel mit Immobilien und Land grob erschwert.
Auch sei Korruption in Griechenland immer noch gang und gäbe - durch Geständnisse von einzelnen Griechen zu diesen Problematiken stellen seine Bemerkungen klar «keine Provokation» dar, sondern beschreiben Fakten, die nach Juncker dringend unter die Lupe genommen werden müssen. Auch ist die Bereitschaft des griechischen Volkes nötig - ein Verweigern der Steuerzahlung, so wie es in diversen Gruppen diskutiert wird, sei absolut dekonstruktiv.
Ebenso sprach er von einer erhöhten Haftung der privaten Gläubiger am Staat Griechenland. Klare Quoten seien noch nicht nennbar.
Rekapitalisierung und der Rettungsschirm
Die Rettung der Banken ist für eine Lösung der Banken unumgänglich. Für die nötige Rekapitalisierung will Juncker die Märkte und Staaten herbeiziehen. Sollte ein Land nicht genügend Kapital hierfür besitzen, so würde der Europäische Rettungsschirm (ESFS) ihm unter die Arme greifen. Mit dem Vergeben von dem Geld des Staates (und damit auch des Volkes) würde ein Mitbestimmungsrecht einhergehen.
Jean-Claude Juncker: «Die Demokratie hat keine Zeit, die Finanzmärkte nehmen sich keine Zeit.» /


So nannte er die Rettung der Dexia als Beispiel hierfür, in dem die beteiligten Staaten Einzug ins Management der Bank halten würden.
Der ESFS müsste hierzu, da sich viele Staaten ein Stützen der Banken nicht mehr leisten können, auch in seiner Kraft stark aufgebaut werden - auch um ein Vertrauen der Märkte wiederzugewinnen. Eine Erhöhung der Eigenkapital-Quote der Banken auf mindestens neun Prozent sei ebenfalls zwingend, für ein Überstehen der Finanzkrise.
Die Demokratie hinkt hinterher
Die Regulierung der Finanzmärkte sollte ebenso in Angriff genommen werden. Laut Juncker sei das Haftungsprinzip hier ausser Kraft gesetzt worden - wenn eine kleine Investment-Abteilung Milliarden verspielt und danach das Volk vor die Kasse gezogen wird, so haftet der Falsche. Das Gewissen der Finanzmärkte sei stark geschwunden, bis beinahe nicht mehr existent.
Problematisch stellen sich hier auch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten dar. Während in Sekundenbruchteilen Milliarden an den Märkten hin und her geschoben werden, müssten über ein dutzend Staaten gemeinsam eine Entscheidung fällen, wie die Märkte an die Zügel genommen werden sollten - ein Prozess der aufgrund seiner demokratischen Natur eine lange Zeit in Anspruch nimmt. «Die Demokratie hat keine Zeit, die Finanzmärkte nehmen sich keine Zeit.»
Appell an Brüderlichkeit
Zu guter Letzt schloss Juncker mit dem Aufruf an ein geeintes, starkes Europa. Aufgrund von rasant wachsenden Schwellenländern, würden die EU-Staaten in der Zukunft schnell an Bedeutung verlieren. Um trotzdem noch Schritt halten zu können, sei Zusammenarbeit nötig. Mit dem Schaffen der Europäischen Union sei in Europa ein einzigartiger Bund geschlossen worden, der militärischen Frieden und gegenseitige Unterstützung garantiert.
Auch Zugpferde wie Deutschland oder Frankreich haben im internationalen Vergleich an Bedeutung verloren, gerade mit dem Wachstum von Brasilien, China und Indien - «grosse europäische Nationen? Die Zeit derer ist vergangen.» Um wirtschaftliches Überleben zu garantieren, so Juncker, sei nun Zusammenarbeit und Solidarität von Nöten. Nur mit einer gemeinsamen Lösung könne man die drohende Ausweitung der Schuldenkrise auf alle Länder von Europa verhindern. Auch wenn es schwerfällt, sich von Lissabon bis nach Athen als Union zu verstehen, so gäbe es für die Zukunft keinen anderen Weg, als ein geeintes Europa.