Für das Interview in der «Libération», das in Ai Weiweis Atelier bei Peking geführt wurde, erklärte er sich bereit «über alles zu sprechen». Er missachtete die Anweisungen der chinesischen Führung, Fragen vorher abzusprechen und jede politische Stellungnahme zu vermeiden.
China sei «das Land der Undurchsichtigkeit», beklagte Ai Weiwei. Zu Zeiten des kommunistischen Staatsgründers Mao Tse-tung sei der Amtsmissbrauch noch so gut wie inexistent gewesen. «Diese Perversion ist nach den Reformen Anfang der 80er Jahre gekommen», sagte Ai Weiwei.
Damals habe der Staatsführer Deng Xiaoping die Doktrin ausgegeben, dass sich «zuerst ein Teil der Bevölkerung bereichern» solle.
Ein Dorn im Auge der chinesischen Regierung. /


Seither prägten Bestechung und Korruption das ganze System. Die Bevölkerung würde dagegen gerne protestieren, aber die Unterdrückung durch die Polizei sei «drakonisch».
Umstrittene Anklage
Ai ist einer der bekanntesten Kritiker der Führung in Peking. Anfang April 2011 wurde er wegen angeblicher Steuervergehen festgenommen und fast drei Monate ohne Anklage an einem unbekannten Ort festgehalten.
Ai weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sie als politisch motiviert. Ähnlich sehen auch zahlreiche westliche Regierungen und Menschenrechtsorganisationen den Fall. Im offenen Clinch mit der Staatsmacht liegt Ai, seit er nach dem Erdbeben 2008 in der Provinz Sichuan eine unabhängige Untersuchung der Gründe für den Einsturz zahlreicher Schulen gefordert hatte.