Am Ende, als auch der letzte ukrainische Schuss am Tor vorbei geflogen war und Schiedsrichter Viktor Kassai (Un) die Partie am Mittwochabend kurz vor Mitternacht in der Donbass Arena abgepfiffen hatte, erhoben sich die Zuschauer von den Rängen und klatschten ihrer Mannschaft zu. Obwohl der Traum von der Viertelfinal-Qualifikation Sekunden zuvor geendet hatte, zeigten sich die Fans mit ihrer Mannschaft zufrieden. Sie wurden am Ende in ihrer Meinung bestätigt, in welcher Rolle sie ihr Team bereits vor dem Turnier gesehen hatte: in jener des Aussenseiters.
Die Doublette von Andrej Schewtschenko zum Auftakt gegen Schweden hatte bei den knapp 45 Millionen Menschen im zweitgrössten Land Europas die Hoffnungen auf einen langen ukrainischen Fussball-Sommer genährt. Am Ende fehlte dem Team von Oleg Blochin das Quäntchen Glück, dass ein Aussenseiter an einem solchen Anlass zwingend benötigt. Gegen Frankreich stoppte nicht nur der Gegner sondern auch der Regen die «Gelb-Blauen», gegen England kam neben dem eigenen Unvermögen im Abschluss der vermeintliche «Tor-Klau» hinzu.
Der Fehlentscheid
«Kassai - ein neues Schimpfwort. Wie viele Referees braucht man noch?», fragte die Zeitung «Segodnia». Und «Komsomolskaja Prawda» machte aus dem 0:1 kurzerhand ein «1:1 (eigentlich)». Der Ärger der Gastgeber war verständlich. Der Ausgleich eine halbe Stunde vor Schluss hätte die prachtvolle Donbass Arena noch einmal zum vibrieren und Roy Hodgson uns sein Team ins Wanken gebracht. Dass Passgeber Artem Milewski vor dem Abschluss von Marko Devic im Offside gestanden hatte, darf allerdings nicht verschwiegen werden. Aber: Bei der erstbesten Gelegenheit erwies sich die Lösung mit den zwei Torrichtern als unbrauchbar.
Der ansonsten so impulsive Blochin versuchte, zumindest was dieses Thema betrifft, die Contenance zu bewahren.
Artem Milewski (l.) und Oleh Gusev haben mit der Ukraine ausgeträumt. /


Er übertieb zwar, als er davon sprach, der Ball sei einen Meter hinter der Linie gewesen, «doch solche Dinge gehören zum Fussball», fügt er an. Ansonsten hielt sich der 59-Jährige aber nicht zurück und sorgte an der Pressekonferenz nach der Partie beinahe für einen Eklat. Einem kritischen Journalisten, der Blochins Spielern mangelnde Fitness unterstellt hatte, bot er an, die Angelegenheit «unter Männern» zu regeln und forderte ihn auf, ihm nach draussen zu folgen.
Bitteres Out
Blochins überbordende Emotionen waren nachvollziehbar, das Ausscheiden seines Teams bitter. «Wir waren die bessere Mannschaft», so Blochin, womit er nicht ganz Unrecht hatte. Einheimische Medien schrieben von einem der besten Spiele ihrer Mannschaft aller Zeiten. Sachlicher sah es «Fakty I Kommentarii»: «Es gibt Niederlagen, für die man sich nicht schämen muss.» Letztlich fehlte den Ukrainern einer wie Englands Torschütze Wayne Rooney - oder zumindest ein gesunder Andrej Schewtschenko.
Der krönende Abschluss seiner glanzvollen internationalen Karriere blieb dem ukrainischen Rekordtorschützen verwehrt. Noch einmal hatten die Fans ihre letzte Hoffnung in «Sheva» gesetzt und ihn gefeiert, als er sich nach einer Stunde von der Ersatzbank erhoben hatte. Doch im Gegensatz zum Startspiel gegen Schweden blieb der 35-Jährige in seinem 111. und letzten Länderspiel für einmal ohne Einfluss. «Ich hoffe, die Fans waren zufrieden mit dem, was wir hier gespielt haben», sagte er nach dem Ausscheiden.
Optimistisch für die Zukunft
Um das Wohl des Teams macht er sich trotz des Scheiterns und seines Rückzugs aber keine. «Dieser Mannschaft gehört die Zukunft.» Mit Ausnahme von Captain Anatoli Timoschtschuk sind alle Spieler, die gegen England in der Startaufstellung gestanden hatten, jünger als 30. Auch Blochin, der noch einen Vertrag bis und mit der WM 2014 besitzt, teilt Schewtschenkos Meinung: «Wir haben eine gute Mannschaft zusammen, auf die wir in der kommenden WM-Qualifikation bauen können.»