Besonders hoch ist der Anpassungsbedarf bei Entwicklungsländern. Sollen auch sie die notwendigen Investitionen realisieren, ist Solidarität gefragt.
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat in ihrem jüngsten Spezialbericht des «World Energy Outlook» eine Vorhersage energiebezogener CO
2-Emissionen berechnet, die alle bislang in Kraft gesetzten und zugesagten energie- und klimapolitischen Massnahmen berücksichtigt. Gemäss diesem «New Policies»-Szenario werden die globalen CO
2-Emissionen von derzeit rund 32 Milliarden Tonnen pro Jahr auf etwa 37 Milliarden Tonnen im Jahr 2035 ansteigen (Abbildung 1). Gegenüber einem Szenario, das die CO
2-Konzentration auf maximal 450 ppm (parts per million) begrenzt, würde ein grosser Emissionsüberschuss resultieren. Die Obergrenze von 450 ppm wäre gemäss dem Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) erforderlich, um mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit die globale Klimaerwärmung auf 2 Grad Celsius zu beschränken - einen gerade noch «verkraftbaren» Temperaturanstieg.
Im Verhandlungsprozess der UN-Klimakonvention ist vorgesehen, im Jahr 2015 ein möglichst breit abgestütztes Folgeabkommen zum Kyoto-Protokoll zu verabschieden, das ab 2020 in Kraft treten soll. Somit ist unwahrscheinlich, dass vor 2020 neue Politikmassnahmen ergriffen werden, die über das «New Policies»-Szenario der IEA hinausreichen. Die Folgen sind in Abbildung 2 abzulesen: Gegenüber dem «450-ppm-Szenario» würde deutlich mehr CO
2 emittiert, und nach 2020 wäre ein noch rascherer Abbau der CO
2-Emissionen erforderlich, um die globale Erwärmung auf etwa 2 Grad Celsius zu beschränken (stilisiert mit dem roten Pfeil dargestellt). Niemand vermag zu sagen, ob dies gelingen könnte.
Rolf Kappel ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Probleme der Entwicklungsländer an der ETH Zürich. /

Zwei Szenarien energiebezogener CO2-Emissionen. /


Die Weltgesellschaft sollte daher auf jeden Fall Vorbereitungen treffen, die die negativen Auswirkungen einer globalen Temperaturerhöhung von 2 Grad Celsius oder mehr möglichst gering halten.
Hoher Anpassungsbearf in Entwicklungsländern
Es ist unbestritten, dass vor allem Entwicklungsländer schon unter den heute herrschenden Klimaverhältnissen am stärksten leiden und durch weitere Temperaturerhöhungen am meisten betroffen wären. Beispielsweise werden häufigere und stärkere Hitzeperioden Agrarerträge reduzieren und das Risiko erhöhen, etwa an Malaria oder Denguefieber zu erkranken; veränderte Regenfälle lassen verstärkte Wasserknappheiten einerseits und zunehmende Überflutungen andererseits erwarten; ebenso wird die Klimaerwärmung das Abschmelzen der Gletscher beschleunigen und an vielen Orten der Welt die Artenvielfalt gefährden; und schliesslich werden der steigende Meeresspiegel sowie häufigere und heftigere Stürme die Küstengebiete und Inselregionen bedrohen.
Das ist alles nicht neu, aber angesichts der absehbaren CO
2-Emissionsentwicklung von zunehmender Dringlichkeit. Die Anpassungsmassnahmen, mit denen man die skizzierten Folgen des Klimawandels mindern könnte, sind weitgehend bekannt. Sie umfassen etwa die Entwicklung hitzeresistenter Getreidesorten, Vorkehrungen zur Minderung temperaturabhängiger Krankheitsrisiken, den sparsameren Umgang mit Wasser sowie Flutschutz- und Küstenschutzmassnahmen, um nur einige zu nennen. Die Mehrheit dieser Interventionen wäre sogar gewinnbringend, wenn der befürchtete Klimawandel und seine Folgen nicht oder nur teilweise eintreten würden («No-/Low-Regret»-Massnahmen).
Solidarität gefordert
Doch die technischen, finanziellen und institutionellen Kapazitäten der meisten Entwicklungsländer sind so begrenzt, dass sie ihre Bevölkerungen aus eigener Kraft nicht ausreichend werden schützen können. Vor allem die armen Bevölkerungsschichten sind hochgradig gefährdet. Die Weltbank schätzt, dass die Entwicklungsländer für angemessene Anpassungen an eine Temperaturerhöhung von 2 Grad Celsius bis Mitte des Jahrhunderts etwa 70 bis 100 Milliarden US-Dollar (ca. 63 bis 91 Mrd. Schweizer Franken) pro Jahr investieren müssten. Um dies zu erreichen, ist die Solidarität und Unterstützung seitens der Industrieländer unverzichtbar.