In den Kaukasusländern Aserbaidschan, Armenien und Georgien und in Balkanländern wie Albanien kämen auf 100 geborene Mädchen zwischen 110 und 117 geborene Jungen. Ein Ungleichgewicht herrscht vor, wenn das Verhältnis mindestens 105 zu 100 beträgt.
Am grössten ist das Ungleichgewicht in der von Ined untersuchten Region in Aserbaidschan, wo auf 100 geborene Mädchen 117 geborene Jungen kommen. Grösser ist der Abstand weltweit nur in China.
«In den drei kaukasischen Staaten (Aserbaidschan, Armenien und Georgien) ist dieses Verhältnis in den 1990er Jahren angestiegen und erreicht höhere Werte als die derzeitigen Schätzungen für das gesamte Indien», heisst es in der Studie.
In Armenien beispielsweise liegt ein Ungleichgewicht zwischen geborenen Mädchen und Jungen vor. /


Indien ist wie China bekannt dafür, dass viele Mädchen gezielt abgetrieben werden, weil die Familien männlichen Nachwuchs bevorzugen.
Patriarchalische Werte
In Balkanstaaten wie Albanien, Montenegro und dem Kosovo ist die Diskrepanz zwischen Geburten von Jungen und Mädchen laut Ined nicht so gross wie in den untersuchten Kaukasusländern. Sie liegt aber zwischen 110 und 111 zu 100 und damit deutlich über einem natürlichen Wert.
Die französischen Forscher machen für das gezielte Abtreiben von Mädchen in der Region vor allem «das Fortbestehen traditioneller patriarchalischer Werte» verantwortlich. Diese Werte hätten sich mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in den 1990er Jahren sogar noch verstärkt.
Während sich in den Ländern der Staat «schnell zurückgezogen» habe, habe sich die «Familienstruktur als die stabilste soziale Institution» erwiesen. Der Rückgang der Geburtenzahlen und ein grösseres entsprechendes medizinisches Angebot hätten zudem den Wunsch und die Möglichkeit wachsen lassen, vor der Geburt eine «Selektion in Abhängigkeit des Geschlechts» vorzunehmen.