Reta Caspar / Quelle: news.ch / Donnerstag, 18. September 2014 / 08:08 h
Die Forderung an Muslime hierzulande ist gestellt: Distanziert euch von den Gottesstaatkämpfern und ihren Schandtaten. Wer aber genau sind die Adressaten? Müssen alle «Anständigen», die an Gott/Allah/Jahwe etc. glauben, jedes Mal auf die Strasse gehen, wenn «Extremisten» zuschlagen? Sind sie etwa dafür haftbar?
Sind sie nicht, aber sie sollten dann auch stets in aller Bescheidenheit zugeben, dass sie jeweils nur im Namen ihrer kleinen aktiven Minderheit sprechen und nicht im Namen aller, die den gleichen übernatürlichen Helden anbeten.
Wenn Religionsgemeinschaften Vereine wären, dann hätten sie Statuten mit einem Vereinszweck und einem Aufnahme-, bzw. Austritts- oder Ausschlussverfahren. Vereinsmitglieder müssen den Beitritt zum Verein höchstpersönlich erklären und sich an die Statuten halten. Wer das nicht tut, der kann ausgeschlossen werden und darf sich nicht mehr im Namen dieses Vereins äussern. So einfach ist das.
«Religionsgemeinschaften» organisieren sich aber gerade besonders ungern als Verein. Ihre Ziele sind in der Regel schwammig und ihre Gefolgschaft muss sich auch nicht klar dazu bekennen. Die Mitgliedschaft wird in der Regel durch Geburt erworben, und diese wieder loszuwerden bedeutet ein Kraftakt jedes Einzelnen gegen den Druck der Familie und der jeweiligen Parallelgesellschaft. Gerne sprechen ihre Repräsentanten im Namen einer noch diffuseren, weltumspannenden Gemeinschaft der Gläubigen um sich als deren Sprachrohr aufzuplustern und die Eigeninteressen effektiver zu vertreten.
«Religionsgemeinschaften» wissen, dass ihre «Mitglieder» sich längst vom Glauben ihrer Vorväter und -mütter verabschiedet haben und sich grossmehrheitlich nur noch einer Tradition zugehörig fühlen.
Vereinsversammlung: Dank klarer Statuten Zweck, Rechte und Verantwortlichkeit definiert. Etwas, dass den Religionsgemeinschaften schmerzlich fehlt. /


Sie verkündigen deshalb heute nicht mehr in erster Linie ihr Credo, sondern den Mythos, dass sie nützlich für die ganze Gesellschaft seien. Daraus leiten sie dann flugs Sonderrechte ab. Es genügt zu sagen, ich bin katholisch, reformiert oder muslimisch - und schon wird automatisch der besondere Respekt der Öffentlichkeit erwartet, werden staatliche Sonderbehandlungen gefordert und staatliche Mittel ungeniert bezogen.
Die meisten Kantone haben einst mit der öffentlich-rechtlichen Anerkennung die Sonderstellung der christlichen Konfessionen geschaffen. Das war eine pragmatisch Lösung für das 19. Jahrhundert, als es darum ging, in der Schweiz die beiden grossen, real existierenden Parallelgesellschaften - die katholische und die reformierte - zu befrieden.
Der Staat machte sich damit aber auch zum Mittäter in der diffusen Mitgliederakquisition, indem er heute noch Neugeborenen mittels Registereintrag eine religiöse Zuschreibung verpasst und sich bei deren Mündigkeit nicht aktiv darum kümmert, ob der - schliessslich auch steuerrechtlich relevante - Eintrag dem Willen der jeweiligen Person entspricht.
Im 21. Jahrhundert taugt diese Lösung nicht mehr. Sie ist längst nicht mehr pragmatisch sondern wirkt im Gegenteil sogar zersetzend, weil sie das Trennende der konfessionellen Tradition betont, statt das Gemeinsame der Gegenwart und der Zukunft der Gesellschaft. Und wenn der «höchste Schweizer» am nächsten Sonntag zum «eidgenössischen» (eigentlich kantonalen!) «Dank-, Buss- und Bettag» an einer ökumenischen Feier im Emmental predigt, spricht er lediglich zu einer Minderheit von Traditionalisten und nicht zur Mehrheit der religiös Distanzierten, Nicht- und Andersgläubigen hierzulande - sein Auftritt ist also bestenfalls irrelevant, schlimmstenfalls befördert er die zersetzende Allianz der Traditionalisten und Nationalisten.
Wir müssen die «Religionsgemeinschaften» dringend in die Vereinsform zwingen, weil sie nur so herausgefordert sind, ihren Zweck zu formulieren. Erst dann können sie auch daran gemessen werden und nur dann erhalten die Mitglieder vollumfängliche Mitgliedsrechte und Verantwortlichkeiten. Erst dann können wir Gemeinschaften auch verantwortlich machen für die Schandtaten, die ihre Mitglieder in ihrem Namen verüben und können sie sich als Vereine durch Ausschluss von solchen Extremisten lossagen. Es ist also sogar im ureigensten Interesse der «Religionsgemeinschaften», dass sie sich als Vereine zum Zwecke der Anbetung ihres Gottes und allfälliger weiterer Ziele konstituieren und damit ihre gesellschaftliche Haftung beschränken.