Die Datenflut wächst exponentiell. Herkömmliche Speichermedien stossen an ihre Kapazitätsgrenzen. Eine vielversprechende Alternative ist die sondenbasierte Datenspeicherung, die mit feinsten Nadelspitzen arbeitet, ähnlich einem Rasterkraftmikroskop. Ein internationales
Forschungsteam um Abigail K. Mann und Justin M. Chalker von der
Flinders University in Australien präsentiert nun in der
Fachzeitschrift «Advanced Science» eine innovative Lösung: Ein neuartiges Polymer, das als mechanisches Speichermedium dient und die Art und Weise, wie wir Daten speichern, revolutionieren könnte.
Schwefel als Schlüssel zum Erfolg
Das Geheimnis dieses Polymers liegt in seiner Herstellung durch inverse Vulkanisation, einem Prozess, der Schwefel mit organischen Molekülen verbindet. Das Ergebnis ist ein Netzwerk aus Schwefel-Schwefel-Bindungen (S-S-Bindungen), das dem Material besondere Eigenschaften verleiht. Diese Bindungen lassen sich nämlich durch äussere Einflüsse, wie Wärme, gezielt lösen und wieder neu formieren.
Schreiben, Lesen, Löschen - im Nanobereich
Die Forscher nutzten diese Eigenschaft, um Daten in das Polymer zu «schreiben». Mit der Spitze eines Rasterkraftmikroskops (AFM) erzeugten sie winzige Vertiefungen, sogenannte Nanoindentationen, in der glatten Polymeroberfläche. Jede Vertiefung, oder deren Abwesenheit, repräsentiert dabei einen Wert - ähnlich dem Binärcode aus Nullen und Einsen. Der Clou: Die Forscher konnten die Tiefe der Vertiefungen mit einer Präzision von 1 bis 30 Nanometern steuern. Ein Nanometer entspricht einem Milliardstel Meter - eine unvorstellbar kleine Dimension.
Ternärer Code für höhere Speicherdichte
Diese präzise Kontrolle ermöglichte die Implementierung eines
ternären Codes. Anstatt nur zwei Zustände (Vertiefung oder keine Vertiefung) wie im Binärcode, nutzt dieser Code drei Zustände: keine Vertiefung (0), flache Vertiefung (1) und tiefe Vertiefung (2). Das Ergebnis ist beeindruckend: Die Speicherdichte steigt um das Vierfache im Vergleich zum Binärcode. In ihren Experimenten erreichten die Forscher eine Speicherdichte von etwa 0,9 Terabit pro Quadratzoll, mit theoretischem Potenzial für bis zu 1,5 Terabit pro Quadratzoll. Zum Vergleich: Herkömmliche Festplatten erreichen derzeit maximale Dichten von etwa 1 Terabit pro Quadratzoll.
Löschen und Wiederbeschreiben mit Wärme
Das Löschen der Daten ist ebenso elegant wie einfach.
Das Zeitalter von Big Data und künstlicher Intelligenz treibt die Nachfrage nach Datenspeicherlösungen immer mehr an. Bild: Speicher-Jurassic Park. /


Durch Erhitzen des Polymers werden die S-S-Bindungen gelöst, das Material fliesst und die Vertiefungen verschwinden. In den Experimenten reichte eine Temperatur von 170°C für zwei Minuten aus, um die Daten auf einem festen Polymerstück vollständig zu löschen. Auf dünnen Polymerfilmen gelang das Löschen sogar in nur zehn Sekunden bei 140°C. Besonders bemerkenswert: Der gelöschte Bereich kann mehrfach wiederbeschrieben werden, ohne dass das Material Schaden nimmt.
Vielseitiges Material mit Zukunftspotenzial
Die Forscher verwendeten zwei verschiedene Polymere: 50-poly(S-r-DCPD) und 50-poly(S-r-CPD). Beide zeichnen sich durch niedrige Kosten, einfache Herstellung und eine bemerkenswert glatte Oberfläche aus. 50-poly(S-r-DCPD) erwies sich als robuster und eignete sich besser für das wiederholte Schreiben, Löschen und Wiederbeschreiben, vermutlich aufgrund seiner höheren Glasübergangstemperatur.
Schnelles Auslesen mit Elektronenmikroskop
Neben dem Auslesen mit dem AFM testeten die Forscher auch das Rasterelektronenmikroskop (REM) als alternative Methode. Obwohl das REM die Tiefe der Vertiefungen nicht messen kann, liefert es dennoch ein klares Bild der kodierten Daten und ermöglicht ein deutlich schnelleres Auslesen (ca. 0,6 Kilobit pro Sekunde) als das AFM.
Ein Meilenstein in der Datenspeichertechnologie
Die in der Studie präsentierten Polymere stellen einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung mechanischer Datenspeicher dar. Sie sind kostengünstig, einfach herzustellen und ermöglichen eine hohe Speicherdichte. Das Beschreiben bei Raumtemperatur und das schnelle Löschen durch Wärme sind weitere Pluspunkte. Die Fähigkeit, einen ternären Code zu verwenden, hebt diese Technologie von bisherigen Ansätzen ab und eröffnet neue Möglichkeiten für die Datenspeicherung.
Ausblick
Die Forschungsergebnisse sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer neuen Generation von Datenspeichern. Die Wissenschaftler planen, alternative Methoden zum Löschen der Daten zu erforschen, beispielsweise den Einsatz von Laserlicht. Auch die Entwicklung schnellerer Kopierverfahren, wie die Nanoimprint-Lithographie, steht auf der Agenda.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Die sondenbasierte Datenspeicherung hat das Potenzial, die Speicherdichte im Vergleich zu herkömmlichen Methoden drastisch zu erhöhen. Die hier vorgestellten Polymere könnten eine Schlüsselrolle in zukünftigen Computersystemen spielen und dazu beitragen, den stetig wachsenden Bedarf an Speicherplatz vor allem für Big Data und
Künstliche Intelligenz zu bewältigen. Ob sich diese Technologie letztlich durchsetzen wird, hängt von weiteren Forschungsanstrengungen und der Entwicklung effizienter Schreib- und Lesegeräte ab. Die Studie zeigt jedoch eindrucksvoll, dass die Zukunft der Datenspeicherung spannende Möglichkeiten bereithält, die weit über die Grenzen herkömmlicher Festplatten und SSDs hinausgehen. Das unscheinbare Polymer, auf Basis von Schwefel, könnte sich als wahrer Datenschatz erweisen.