von Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 5. Februar 2010 / 08:45 h
Eine kleine CD und so viele Schlagzeilen. Die Meinungen darüber sind so vielfältig wie ausgeprägt, aber vielfach gekoppelt mit Verteidigung des Schweizer Bankgeheimnisses und der Ansicht, die CD zu kaufen, sei für Deutschland unmoralisch oder am anderen Ende der Skala, dass die Hilfe, welche Schweizer Banken Steuerhinterziehern und Betrügern angedeihen lässt, jedes Mittel rechtfertige – auch das Fördern der Kriminalität.
Etwas realistischer wäre es wohl, den Kauf von Diebesgut einerseits zu verurteilen. Aber gleichermassen einzusehen, dass in einer Zeit engster wirtschaftlicher Verzahnungen zwischen den Ländern dieser Welt, es einfach nicht mehr toleriert wird, wenn ein Wirtschaftszweig eines Landes mit grosser Energie die Privilegierten Einwohner von anderen Ländern regelrecht dazu drängt, die Gesetze ihrer Heimat zu brechen.
Dabei sind die Meriten, welche das Bankgeheimnis in früheren Zeiten auszeichnete, unbestritten. Doch die Rahmenbedingungen haben sich gewandelt. Die dreissiger Jahre waren turbulente Zeiten, in denen Rechtssicherheit in grossen Teilen Europas mehr Wunsch als Wirklichkeit war. Sein Vermögen zu schützen – und es ging dabei vielfach nicht um riesige Summen –, war ein legitimes Anliegen und manche Familie konnte nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Existenz wieder aufbauen, weil ihre Regierung oder jene ihrer Besatzer, nicht an das Geld herankam, das in der Schweiz versteckt war.
Doch – so sehr sich gewisse Publikationen auch darum bemühen, dies so darzustellen: Deutschland ist kein Unrechtsstaat und jene, die sich nun vor dem Finanzminister fürchten, sind meist sehr wohlhabende Menschen, die nicht um ihre Existenz oder gar ihr Leben fürchten müssen. Es geht um Leute, die ihre Finanzen mit allen Tricks optimieren wollen. Und Schweizer Banken halfen ihnen gerne dabei.
Mancher Vermögensberater wird sich dabei seinen Kunden sehr verbunden gefühlt haben, verband sie doch einiges: Die Liebe zum Geld, die Verachtung für den Staat und jene, die weniger haben, die darum kämpfen, ein Auskommen zu finden und zum Teil auf jenen Staat angewiesen sind, dem man versucht, die Steuern vor zu enthalten.
Vielfach wird das Argument angebracht, dass sich ein Bürger gegen einen verschwenderischen Staat verteidigen können müsse. Ein netter Gedanke. Aber einerseits scheint es völlig egal zu sein, ob ein Staat mehr oder weniger «verschwenderisch» ist, ob Steuern hinterzogen werden. Und andererseits können sich offensichtlich nur jene verteidigen, deren Problem es ist, dass Vielfache eines Jahreseinkommens eines Facharbeiters vor dem Fiskus zu verstecken. Einkommen, von dem weder Sozialabgaben oder sonst irgend ein Beitrag abgeliefert wurde. Und ausserdem gibt es eine völlig legale Verteidigung: Auswandern an einen Ort, wo die Steuern günstiger sind.
Die ganzen Legenden vom hart erarbeiteten Geld, dass man verteidigen müsse, kann man ohnehin gleich vergessen. Eine Reinigungskraft in einem Spital arbeitet garantiert genau so hart, setzt sich jeden Tag Krankheitserregern, Kot verschmierter Wäsche und anderen Exkretionen von Kranken aus, ohne auch nur einen Gedanken daran verschwenden zu müssen, ob wohl genug übrig bleibt, um damit ein Konto in der Schweiz zu füllen.
Die Unterscheidung Steuerhinterziehung und Steuerbetrug soll in der Schweiz ruhig beibehalten werden: Für Leute mit hiesigem Wohnsitz und Einkommen. Wenn wir dies wollen, soll es so sein. Aber dem Ausland gegenüber lässt sich dies nicht mehr vertreten. Seit dem es möglich ist, mit einem Knopfdruck Kontendaten von Tausenden Steuerhinterziehern auf einen Datenträger zu ziehen, ist auch der technische Todesstoss gekommen. Alleine das Gerücht einer CD reicht ja meist schon, Hunderte Trickser aus dem Busch zu klopfen. Und wenn sich die CD dann materialisiert ist eh Feuer im Dach.
Es war einst an tückischen Küsten Sitte, falsche Leuchtfeuer zu entfachen, Schiffe so in ihr Unheil zu locken und die Wracks zu plündern. Es war ein erfolgreiches Geschäftsmodell, das ganze Regionen ernährte... oder zumindest ein nettes Zubrot erbrachte. Doch irgendwann galt es nicht mehr als vertretbar, seine Zeit war abgelaufen, der Rechtsbruch wurde nicht mehr toleriert. Sieht so aus, als wäre es an der Zeit, dass auch die Schweizer Banken ihre Leuchtfeuer ersticken und ein neues Geschäftsmodell entwickeln, bei dem am Ende nicht der Schweizer Staat selbst auf die Klippen aufläuft.