Vizepräsident Omar Suleiman traf sich am Sonntag mit Vertretern der Oppositionskräfte, um über Reformen und mehr Demokratie im Land zu diskutieren.
An den Gesprächen waren nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Mena ausser den Muslimbrüdern auch die liberale Wafd-Partei, die linksgerichtete Partei Tagammu und eine Gruppe beteiligt, welche die seit Tagen protestierenden Demonstranten eingesetzt hatten.
An dem Treffen nahmen unter anderem auch junge Unterstützer des Friedensnobelpreisträgers Mohamed al-Baradei teil. Sie zählen zu den treibenden Kräften hinter den Protesten.
Es war das erste Mal, dass die ägyptische Regierung mit der seit 1954 offiziell verbotenen Muslimbruderschaft offen in Verhandlungen trat.
«Guter Wille aber keine Fortschritte»
Im Anschluss an das Treffen erklärten beide Seiten, man habe sich auf die Einsetzung einer Gruppe geeinigt, die weitere Gespräche vorbereiten solle. Ein Sprecher der Muslimbruderschaft sagte, das Treffen habe guten Willen gezeigt, aber keine substanziellen Fortschritte erbracht.
Die Erklärung der Regierung deutete zugleich an, dass Präsident Husni Mubarak weiter im Amt bleiben solle, um die Reformen umzusetzen. Die Opposition ihrerseits bekräftigte ihre Forderung eines sofortigen Rücktritt von Präsident Husni Mubarak.
Beschränkung der Amtszeit
Gemäss Berichten der Agentur Mena versprach Suleiman bei den Gesprächen Pressefreiheit, die Freilassung festgenommener Demonstranten und die Aufhebung des Ausnahmezustands. Letzteres allerdings erst, wenn es die Sicherheitslage erlaube.
Ausserdem habe er der Einrichtung eines Komitees zugestimmt, das von den Demonstranten geforderte Änderungen an der Verfassung erörtern soll. Bis zur ersten Märzwoche soll es Vorschläge machen, wie beispielsweise eine Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten und eine Lockerung der Voraussetzungen für Präsidentschaftskandidaten aussehen könnten.
Weiter versprach die Regierung, die Demonstranten nicht zu schikanieren und Mobilfunk- und Internetdiensten nicht zu stören. Beide Seiten einigten sich auf die Einrichtung von Büros, in denen sich Bürger über politische Verhaftungen beschweren können.
Suleiman kündigte ausserdem eine Aufhebung des Ausnahmezustands an, sobald die Sicherheit dies zulasse. Der seit 1981 geltende Ausnahmezustand hatte es der politischen Führung des Landes jahrzehntelang ermöglicht, die Opposition zu unterdrücken. Demonstrationen waren verboten. Zivilisten wurden von Militärgerichten verurteilt
Christlicher Gottesdienst auf Tahrir-Platz
Die Proteste auf dem Tahrir-Platz gingen aber weiter. Am Sonntag versammelten sich dort erneut rund 10'000 Menschen. Hunderte beteten für die bei den Protesten umgekommenen Demonstranten. An einem anschliessenden christlichen Gottesdienst nahmen Christen und Tausende Muslime gemeinsam teil.
Zentrale Forderung der seit dem 25. Januar anhaltenden Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo sowie in anderen ägyptischen Städten ist der sofortige Rücktritt von Präsident Husni Mubarak, der seit fast 30 Jahren an der Macht ist.
Der ägyptische Vizepräsident Omar Suleiman. /


Mubarak hat dies bisher abgelehnt, angesichts der massiven Demonstrationen gegen sein Regime allerdings politische Reformen versprochen.
Kopten an Protesten beteiligt
Das ägyptische Militär verstärkte unterdessen seine Präsenz auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos. Wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichteten, positionierten sich Soldaten unter anderem auf der nahe gelegenen Brücke des 6. Oktober. Von dort hatten Anhänger Mubaraks in der Wochenmitte regierungskritische Demonstranten angegriffen.
Am Mittag des 13. Tages der Proteste gegen Mubarak wurde auf dem Platz ein christlicher Gottesdienst abgehalten, bei dem auch für die Toten der vergangenen Tage gebetet wurde. An den Protesten hatten sich auch zahlreiche koptische Christen beteiligt.
Seit dem 25. Januar fordern Demonstranten in Massenprotesten den Rücktritt von Staatschef Husni Mubarak. Die Muslimbruderschaft setzt sich für die Einführung des islamischen Rechts, die Scharia, ein. Sie ist die einflussreichste und am besten organisierte Oppositionsgruppe in Ägypten.
Am Mittwoch und Donnerstag hatten sich Regierungsgegner und -anhänger blutige Auseinandersetzungen geliefert, bei denen nach offiziellen Angaben mindestens elf Menschen starben.
Leben in Kairo normalisiert sich
Das Leben in der ägyptischen Hauptstadt normalisierte sich derweil zunehmend. Zahlreiche Geschäfte in der Nähe des Tahrir-Platzes öffneten wieder ihre Pforten, auf den Strassen der Millionenstadt waren zahlreiche Fahrzeuge unterwegs, es kam zu Staus.
Auch die seit dem 27. Januar geschlossenen Banken öffneten wieder. Vor ihren Toren bildeten sich lange Schlagen. Die Banken richteten sich auf chaotische Zustände ein, weil sie angesichts der anhaltenden politischen Krise damit rechneten, dass zahlreiche Kunden ihre Guthaben abheben würden.