Endverbrauchter bekommen das neue Betriebssystem erst im Herbst - vermutlich wie im vergangenen Jahr zusammen mit einer neuen iPhone-Generation. Wir hatten bereits die Möglichkeit, die Firmware auf einem iPhone 4S und einem iPad WiFi+Cellular einem kurzen Test zu unterziehen.
Neue Karten-App als interessantestes neues Feature
Besonders interessant ist in iOS6 die neue Karten-App. Diese stützt sich nicht mehr - wie bisher - auf Datenmaterial von Google. So gesehen haben die Karten ein neues Layout und sogar eine Navigations-Funktion bekommen. Dafür arbeitet Apple mit TomTom zusammen. In diesem Punkt schliesst Apple somit zur Konkurrenz-Plattform Android auf, das mit Google Maps Navigation ebenfalls ein kostenloses Navigationssystem bietet.
Beide Lösungen lassen sich derzeit nur dann nutzen, wenn der Kunde eine Internet-Verbindung auf dem Smartphone oder Tablet nutzt. Google hat aber für Android bereits einen Offline-Modus angekündigt. Hier bleibt abzuwarten, inwieweit Apple vielleicht schon bis zur offiziellen Veröffentlichung von iOS6 nachbessert.
Ersatzlos weggefallen ist Google Streetview. Auch die Satellitenansicht der Regionen, deren Kartenmaterial man gerade betrachtet, kann mit dem Google-Angebot nicht mithalten. Lediglich für einige amerikanische Städte gibt es detaillierte Ansichten sogar in 3D.
Die Navigation ist für Autofahrer, Fussgänger und auch für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich. Während die Angebote für Autofahrer und Fussgängergut funktionieren, ist das Angebot für öffentliche Verkehrsmittel in Deutschland derzeit ohne Funktion. Die Navigation läuft auch im Hintergrund weiter, falls das iPhone oder iPad zwischenzeitlich für andere Zwecke genutzt wird.
Deutsche Tastatur mit Umlauten und sehr kleinen Tasten
Auf den ersten Blick fällt dem Anwender auch ein geändertes Tastatur-Layout am iPhone auf. So haben die deutschen Umlaute eigene virtuelle Tasten bekommen. Nachteil: Dadurch wird die virtuelle Tastatur sehr klein, so dass man sich bei der Nutzung öfter verschreibt. In den Einstellungen lässt sich die gewohnte Tastatur aber zurückholen und die Umlaute müssen wie gewohnt durch längeres Drücken des Hauptbuchstabens und eine Gestenbewegung in Texte eingebaut werden.
Optisch überarbeitet hat Apple den iTunes Store und den AppStore. Podcasts haben wir bei iTunes nicht mehr gefunden. Lediglich die vom PC oder Mac auf den Handheld synchronisierten Abonnements sind nutzbar. Von diesen können auch neue Folgen heruntergeladen werden. Die Chance, ähnlich wie bei Windows Phone eine native Podcast-Unterstützung für das Smartphone, das Tablet bzw. den Multimedia-Player ins Betriebssystem zu integrieren, hat Apple leider verpasst.
AppStore: Einmalige Passwort-Eingabe reicht künftig aus
Wer im AppStore eine neue Anwendung oder ein Update herunterlädt, muss nach der einmaligen Anmeldung beim eigenen iTunes-Konto das Passwort nicht mehr erneut eingeben. Ausserdem kann man auch nach dem Laden einer App weiter im Store surfen. Der automatische Wechsel ins Startmenü entfällt.
Neu ist darüber hinaus die Betriebssystem-Integration von Facebook. Ein vergleichbares Feature gibt es für Twitter bereits seit Einführung von iOS5. Passbook soll künftig Bordkarten, Eintrittskarten, Kundenkarten und Coupons auf das iPhone bringen. Für das iPad ist diese neue, zum Betriebssystem zählende Anwendung nicht verfügbar. Dafür hat das iPad eine Uhren-App bekommen.
Neue Funktionen für die Sprachassistentin Siri
Als eines der wichtigsten neuen Features hat Apple auf der WWDC-Keynote neue Funktionen für die Sprachassistentin Siri vorgestellt, die es neben dem iPhone 4S nun auch auf dem iPad WiFi+Cellular gibt. So kann Siri unter anderem auf Zuruf Apps öffnen, sie ist in weiteren Sprachen verfügbar und wurde für den Gebrauch in weiteren Ländern optimiert.
Auch die lokale Suche von Siri funktioniert nun für deutsche Nutzer. Allerdings sind die Ergebnisse noch deutlich schlechter als bei Apps wie Qype oder AroundMe. Dabei gilt es zu bedenken, dass es sich um eine Beta-Firmware handelt.
iPhone-Update. /

Auf dem iPad, neue Funktion «Nicht stören», Passbook, Navigation und Tastatur mit Umlauten. /


Bis zur offiziellen Freigabe von iOS6 im Herbst bleiben somit noch einige Monate Zeit, um Optimierungen vorzunehmen.
Unterschiedliche E-Mail-Signaturen für verschiedene Accounts
Bislang konnten Nutzer von iPhone, iPad und iPod touch nur eine E-Mail-Signatur einrichten - unabhängig davon, wie viele Mail-Adressen der Anwender auf seinem Handheld eingerichtet hat. Diese wurde dann für alle abgehenden E-Mails verwendet. Mit iOS6 ist es künftig möglich, für jeden Account eine eigene Signatur festzulegen.
Ferner besteht jetzt die Möglichkeit, sich für eingehende E-Mails auf bestimmten Accounts im Benachrichtigungszentrum informieren zu lassen, während die elektronische Post auf anderen Adressen aussen vorbleibt. Eine VIP-Funktion für bestimmte Absender lässt sich ebenfalls einrichten, um sich über entsprechende E-Mails gesondert informieren zu lassen.
Safari-Tabs lassen sich mit iCloud synchronisieren
Neue Features gibt es auch beim zum Betriebssystem zählenden Safari-Browser. So gibt es künftig eine Offline-Leseliste und die Möglichkeit, Tabs über iCloud zu synchronisieren, so dass diese auch auf anderen Geräten verfügbar sind, die mit dem gleichen iCloud-Account verwendet werden.
Safari hat darüber hinaus ein neues Interaktionsmenü bekommen. Damit lassen sich Links per E-Mail, SMS oder iMessage, Twitter und Facebook teilen oder aber zum Home-Bildschirm hinzufügen, drucken, kopieren, als Lesezeichen festlegen oder eben zur Leseliste hinzufügen. Hat sich Apple bei der Karten-App von Google als Kooperationspartner verabschiedet, so bleibt Google nach wie vor die Standard-Suchmaschine auf iPhone, iPad und iPod touch. Alternativ lassen sich wie bisher Yahoo! und Bing einstellen.
FaceTime funktioniert jetzt auch mobil
Schon zur Einführung des Apple-eigenen Video-Chat-Standards FaceTime war angedacht, das Feature zu einem späteren Zeitpunkt nicht nur bei einer Internet-Verbindung über WLAN, sondern beim Online-Zugang über das Mobilfunknetz zuzulassen. Mit iOS6 wird diese Möglichkeit nun eingeführt. Kunden, die ein zu kleines Datenpaket haben, können FaceTime über UMTS aber auch abschalten.
Wer die gleiche Apple-ID auf mehreren Geräten verwendet, bekommt iMessages nun nicht mehr mehrfach als neue Mitteilungen. Sobald eine Nachricht geöffnet wird, wird diese auf den anderen Geräten als gelesen markiert.
«Nicht stören» soll für Ruhe in der Nacht sorgen
Neu ist auch das «nicht stören» genannte Feature, das es gleichermassen auf iPhone und iPad gibt. Bei Aktivierung werden sämtliche Benachrichtigungen abgeschaltet. Telefonanrufe landen auf der Mailbox. Versucht ein Anrufer allerdings zweimal kurz hintereinander, den iPhone-Besitzer zu erreichen, so wird der zweite Anruf durchgestellt. Ein echter Ersatz für eine Umleitung aller Anrufe auf die Mailbox ist das Feature demnach noch nicht.
Genau die Rufumleitungen sind es aber, die derzeit bei iOS6 noch für Probleme sorgen. Sobald eine Anrufweiterschaltung programmiert wird, wird diese zwar ausgeführt. Das iPhone meldet aber einen Fehler und verliert für einige Sekunden den Kontakt zum Mobilfunknetz. Kurze Zeit später bucht es sich wieder ein. Diesen Bug dürfte Apple bis zur Veröffentlichung der finalen Version von iOS6 behoben haben.
Schade ist es dennoch, dass Apple abseits des Lautlos-Modus weiterhin keine verschiedenen Sound-Profile ermöglicht - beispielsweise mit besonders lautem Rufton für Messen und Ausstellungen mit entsprechender Umgebungslautstärke oder mit ansteigender Lautstärke für den Restaurant-Besuch.
iOS6: Solide Weiterentwicklung statt neuem Design
Bereits im vergangenen Jahr rechneten zumindest einige Branchenkenner damit, dass Apple sein für mobile Geräte bestimmtes Betriebssystem von Grund auf überarbeitet, anstatt diesem lediglich neue Features zu spendieren. Diese Erwartung wird auch in diesem Jahr enttäuscht. So gibt es nach wie vor nicht die von Android bekannten Widgets oder die von Windows Phone bekannten Live-Tiles auf dem iPhone, dem iPad und dem iPod touch.
Apple setzt dagegen auf eine Weiterentwicklung seiner seit 2007 bewährten und erfolgreichen Firmware. iOS6 bietet gegenüber dem bisherigen Betriebssystem einige nette neue Features. Allerdings gibt es nur wenige Angebote, die es nicht auch auf den Smartphones und Tablets der Konkurrenz gibt.
iOS6 läuft auch in der ersten Beta-Version, die bislang zur Verfügung steht, schon sehr stabil. Hier gab es vor dem Start von iOS5 im vergangenen Jahr deutlich mehr Probleme. Auch die Apps, die wir bislang getestet haben und die logischerweise noch nicht auf die neue Firmware optimiert wurden, laufen ohne Probleme.
Lobenswert ist, dass Apple auch das inzwischen in die Jahre gekommene iPhone 3G S weiterhin unterstützt - wenn auch nicht mit allen neuen Features. Hier dürften Android-Nutzer durchaus neidisch ins Apple-Lager blicken. Bedauerlich ist dagegen, dass der Support für das iPad der ersten Generation eingestellt wird.