Das so genannte «Queuing», das Warten in einer Schlange, ist bei den Briten quasi zum unfreiwilligen Volkssport geworden. Ob sie beim Wimbledon-Turnier zwei Tage campieren müssen, um einen «Groundpass» zu erwerben, mehrere Stunden warten, um aufs «London Eye» zu steigen oder ganz einfach ihre Reisepläne ändern, weil wieder einmal eine U-Bahn-Station kurzfristig geschlossen wurde: Die Briten akzeptieren dies gleichmütig und mit einem Schuss Humor.
Nun könnten aber sogar besonders flexible Zeitgenossen an ihr Geduldslimit stossen. London droht ein regelrechter Verkehrskollaps. Das älteste U-Bahn-Netz der Welt muss schon an normalen Tagen ohne Olympische Spiele mehr als drei Millionen Passagiere aufnehmen - und schafft das bei weitem nicht immer. Dazu kommen auf rund 700 Buslinien etwa sechs Millionen zusätzliche Gäste - in einer Stadt, die grundsätzlich nicht für den Autoverkehr angelegt ist.
VIP-Fahrspuren
Die engen Strassen müssen nicht nur ein substanzielles Mehr an Gästen aufnehmen, sondern auch noch die «Olympic Lanes» verkraften. Einzelne Spuren sind für den Individualverkehr gesperrt, damit die Mitglieder der «olympischen Familie» (Sportler, VIP, Funktionäre, Journalisten) innert nützlicher Frist ihren Bestimmungsort erreichen. «Wie das klappen soll, ist mir völlig schleierhaft. Das gibt ein gewaltiges Chaos», prophezeite Taxifahrer John Barnes am Tag des Wimbledon-Finals. Viele seiner Berufskollegen wollen während der Spiele den Dienst einstellen. Nach vielen Protesten sollen die «Olympic Lanes» für den allgemeinen Verkehr nun lediglich zu gewissen Zeiten gesperrt werden.
All diese Probleme drohen trotz massiver Investitionen. 8,1 Milliarden Euro wurden in die «Tube» investiert, daneben wurden die Regionalbahnen East London Line, North London Line und Docklands Light Railway erweitert und modernisiert. Mit der Central Line und der Jubilee Line führen zwei U-Bahn-Linien zum Olympiastadion und den wichtigsten Wettkampfstätten. Zudem verbindet der Hochgeschwindigkeitszug «Javelin» während der Spiele in wenigen Minuten den Olympiapark und den Fernverkehrsbahnhof St. Pancras.
Neue Schwebeseilbahn
Nur für teils positive Schlagzeilen sorgte die neu eröffnete «Emirates Air Line». Die Schwebeseilbahn verbindet mit der North Greenwich Arena und dem ExCel-Center zwei der wichtigsten Austragungsstätten.
Die Strassen Londons werden während der Olympischen Spiele eng werden. /


In den ersten Tagen sorgten aber die Wartezeit von 40 Minuten für die fünfminütige Fahrt und die hohen Kosten von mehr als 60 Millionen Pfund für Unmut.
Erstmals auf die Probe gestellt wird die Geduld aller Beteiligten bei der Ankunft. Die Kapazität des grössten Flughafens, Heathrow, ist mit 70 Millionen Fluggästen pro Jahr ohnehin praktisch erschöpft, Lange Schlangen vor den Passkontrollen sorgen immer wieder für Ärger, auch in den letzten Wochen. Die Verantwortlichen des Airports versprachen nun, man habe eigens für die Spiele 500 zusätzliche Personen angestellt.
Grösste Operation in Friedenszeiten
Viele Arbeitgeber ermutigen ihre Angestellten, während der Spiele von zuhause aus zu arbeiten. Wer dies machen kann, umgeht auch das tägliche Spiessrutenlaufen durch die Sicherheitskontrollen. London wird während der Spiele vermutlich der sicherste Ort der Welt sein. In Sicherheitsfragen ist man in London wohl noch etwas sensibler als anderswo. Das Drama vom 2005, als am 7. Juli und einen Tag nach der Vergabe der Spiele an London islamistische Selbstmordattentäter 56 Menschen in den Tod gerissen haben, ist noch allen präsent.
Die Zahlen verraten schon einiges über die Dimensionen der Olympia-Operation. Erstmals bei Olympischen Spielen wurde ein Sicherheitsbudget von einer Milliarde Euro überstiegen (letzten Schätzungen zufolge 1,51 Milliarden). Total 46'000 Soldaten, Polizisten, Personenschützer und Geheimdienstler sollen garantieren, dass alles reibungslos abläuft. Zudem sind zwei Kriegsschiffe auf der Themse positioniert sowie Flugabwehrraketen auf den Dächern in der Metropole. Eurofighter-Jets sind ebenfalls in Alarmbereitschaft. Die Royal Army, die ihr Kontingent auf 17'000 Personen hat aufstocken müssen, nachdem eine private Sicherheitsfirma ihren Verpflichtungen gegenüber dem LOCOG nicht hatte nachkommen können, steht vor ihrer grössten Operation auf heimischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die Konsequenzen des grössten Einsatzes von Sicherheitskräften in Grossbritannien in Friedenszeiten werden auch die Zuschauer spüren. Sie werden Kontrollen wie an den Flughäfen über sich ergehen lassen müssen, um ins Stadion zu kommen. Allein beim Olympiastadion werden rund 400 Metalldetektoren und Röntgengeräte installiert.
Angst vor dem «einsamen Wolf»
Allen Massnahmen zum Trotz bleibt natürlich ein Restrisiko. Besonderen Respekt hat man vor dem «einsamen Wolf», dessen Profil Sicherheitsexpertin Margaret Gilmore so umrissen hat: «Eine Einzelperson oder eine kleine Gruppe, vielleicht mit gemeinsamer Ideologie und Al-Kaida als Mentor.»