"Das ist ein trauriger Tag für den Fussball." Europol-Direktor Rob Wainwright sprach klare Worte, als er die neusten Erkenntnisse im Wettskandal aus den Jahren 2008 bis 2011 öffentlich machte. "Für uns steht fest, dass es sich um den grössten Fall aller Zeiten in diesem Bereich handelt." Die Zahlen dazu sind beeindruckend und bedenklich zugleich: weltweit 380 Spiele, die manipuliert wurden, weitere 300 verdächtige Partien, 425 korrupte Schiedsrichter, Spieler, Funktionäre und Kriminelle aus 15 Ländern, Schmiergelder in der Höhe von zwei Millionen Euro und ein Gewinn für die Drahtzieher - mutmasslich aus Singapur - von rund acht Millionen Euro.
Damit wird klar, dass dieser Wettskandal eine weitaus grössere Dimension hat als bisher angenommen. 2009 hatte die Staatsanwaltschaft Bochum Ermittlungen geführt, welche bereits mehr als 200 Partien betrafen. In der Schweiz gab es Verdachtsmomente gegen 22 Partien der Challenge League sowie sechs Vorbereitungsspiele mit Schweizer Klubs, je ein Europacup-Spiel mit dem FC Basel und den Young Boys sowie das U21-Qualifikationsspiel Schweiz - Georgien. Nun spricht Europol von 41 manipulierten Spielen, welche die Schweiz betreffen.
Neben der Schweiz werden auch die Türkei mit 79 sowie Deutschland mit 70 Spielen explizit erwähnt. Doch der Wettskandal erreichte offenbar den ganzen Globus und fast alle Wettbewerbe. Vier Spiele der Champions League (eines davon in den letzten drei bis vier Jahren in Grossbritannien) und 15 Partien der Europa League sind ebenso betroffen wie Länderspiele. "Es gibt Verdächtigungen gegen drei WM-Qualifikationsspiele in Afrika und Zentralamerika", so Friedhelm Althans, Chefermittler der deutschen Polizei in Bochum.
Aufgrund der Veröffentlichungen vom Montag ist es schwierig, zu erkennen, gegen wie viele der längst verdächtigten Partien nun eindeutige Beweise für eine Manipulation vorliegen und wie viele Spiele neu unter Verdacht stehen. Klar ist nur dies: es geht in jedem Fall um den Zeitraum von 2008 bis 2011.
Der Hauptsitz von Europol in Den Haag. /


Auch die Schweizer Funktionäre sind mit der neusten Entwicklung noch nicht vertraut. Der SFV wurde am Montag nicht konkret über neue Details informiert. "Ich habe das Ganze selber erst gerade erfahren. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen. Wie das letzte Mal werden wir jedoch sofort reagieren, sobald wir die Fakten kennen", sagte SFV-Präsident Peter Gillieron am Montag vor dem Abflug mit der Schweizer Nationalmannschaft zum Testspiel nach Griechenland.
Genaue Angaben zu Namen von involvierten Spielern, Klubs und Funktionären macht Europol aber nicht, solange nicht alle Ermittlungen abgeschlossen sind. Sie ist den Drahtziehern im asiatischen Hintergrund offenbar auf den Fersen. 13'000 E-Mails und Telefongespräche wurden untersucht, es wurden V-Leute eingesetzt. Bisher sind acht Millionen Gewinn sowie zwei Millionen Euro an Bestechungsgeldern sichergestellt.
Gemäss Althans gibt es Beweise in 150 Fällen, dass die Kriminellen pro Partie bis zu 100'000 Euro Schmiergeld für Spieler und Schiedsrichter eingesetzt haben. "Wir konnten zum ersten Mal beweisen, dass die organisierte Kriminalität in der Fussballwelt operiert", so Wainwright. Europol geht daher davon aus, dass 380 mit Bestimmtheit und 300 mutmasslich manipulierte Spiele nur die Spitze des Eisbergs sind.