Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 14. Januar 2015 / 14:30 h
Bilder, Menschen, Körper und Politik erzählen immer wieder Geschichten darüber, wie Macht organisiert wird. Horst Bredekamp nannte die Ereignisse in Paris einen «Doppelmord an Mensch und Werk» und plädierte dafür, diesen «Bildersturm» durchaus ernst zu nehmen. Denn wenn Menschen nicht mehr zwischen Bild und Gott unterscheiden können, dann Gnade uns Allen. Bredekamp sieht in der europäischen Geschichte, die sich auch in blutigen Kämpfen um die Trennung von «Bild und Gott» entzündet hat, einen entscheidenden Fortschritt für die Aufklärung und die Menschen als solche. Zudem weist er darauf hin, dass in den bisherigen Bilderstürmen europäischer Provinienz
die Werke
und
nicht die Hersteller
, also die Künstler oder Karikaturisten, vernichtet wurden.
Die klassische Haltung der Aufklärung gegenüber den Bildern war immer die der Distanz. Nun ist in der Postmoderne zwar alles möglich, aber Distanz gehört mit Sicherheit nicht dazu. «Geheimnisse sind Lügen», «Teilen ist Heilen» und «Alles Private ist Diebstahl» von Dave Eggers «The Circle» erzählt klug, dass es auch im sogenannten «Westen» mit der Distanz zu Bildern nicht sehr gut steht. Im «Circle» sind die Bilder nicht nur identisch mit ihren Bildgebern, sondern sie müssen darüber hinaus den Bildkontrolleuren freigegeben werden. Das heisst politphilosophisch nichts anderes als eine Variation von:«Der Führer schützt das Recht», im Circle «Google schützt die Bilder» und manifestiert damit die beabsichtigte und totalitäre Identität zwischen den Regierenden und Regierten. Im Falle der Massenmörder von Paris ist es dann: «Der Prophet ist das Bild und das Bild ist der Prophet.»
Der klare Blick auf die Trennung zwischen Bild und Sein ist mittlerweile für einige Berufsgruppen zur Überlebensfrage geworden. Auch die Diskussion über die Schönheitsideale, die sich in ideologischen Bilderparaden in die Köpfe von Menschen festfressen, so dass sie massenhaft «Attraktivitätsstudien» ausspucken, die ihrerseits direkt auf die mangelnde Distanz zu Bildern hinweisen, zeugt davon.
Auklärung erforderte zu Bildern Bilanz: Fundamentalisten und Postmodernisten geht diese ab. Mit zum Teil tödlichen Folgen. /


Politische Herrschaft etabliert sich eben gerne im Verhältnis zu Bildern oder direkt in Bildern.
Damit bevölkern die Massenmörder von Paris das Haus der Moderne mit einer antiaufklärerischen Haltung, die auch der Popkultur nicht fern ist. Distanzlosigkeit ist dabei der Kern. Die Medialität der Morde in Paris muss diskutiert werden. Denn das Viereck: Gott, Bild, Mensch und Medien muss wieder häufiger entschlüsselt und diskutiert werden. Befindet sich das Bild in einer Identitätsfalle, dann auch der Mensch.
Dies ist der theoretische Ansatz meiner Reflektionen zur «Vermessung », zur Kategorienbildung der Menschen, die letztlich zur Dehumanisierung derselben führt. Die Massenmörder von Paris haben eben nicht einfach eine Redaktion von Karikaturisten ausgelöscht, sondern sie haben mit grosser Brutalität demonstriert, was es bedeutet, wenn das Bild wieder zur gültigen Herrschaftsform erklärt wird. Diese ungemütliche Einsicht betrifft vor allem auch unsere Medienkultur. In seiner «Theorie des Bildaktes» legt Horst Bredekamp dar: «Um unseren Freiraum zu wahren, müssen wir bestehen auf der Distanz von Bild und Körper, Bild und Gott.» Dieses Postulat, das ich mit der «Macht des richtigen Friseurs»zu skizzieren begann und das sich wie ein roter Faden durch mein philosophisches Denken zieht, ist mittlerweile zur Entscheidung über Leben und Tod mutiert.
Das Bild ist nie unschuldig. Es ist höchste Zeit, mal genauer hinzusehen.