Es handelt sich bei der Reform der Altersvorsorge um die bedeutendste Abweichung vom Konzept des Bundesrats. Dieser will AHV und berufliche Vorsorge zwar gemeinsam sanieren. Doch achtete er darauf, keine Querbezüge zwischen den Vorsorgewerken zu schaffen, um die Reform möglichst transparent zu halten. Der Ausgleich für den tieferen Umwandlungssatz sollte daher vollständig innerhalb der 2. Säule stattfinden.
Der Bundesrat hatte daher vorgeschlagen, den Koordinationsabzug abzuschaffen, was der Ständerat am Montag jedoch abgelehnt hat. Mit 27 zu 17 Stimmen bei 1 Enthaltung beschloss er am Dienstag, die tieferen Pensionskassenrenten stattdessen teilweise durch höhere AHV-Renten zu kompensieren.
Der Vorschlag dazu stammt aus der ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK). Sie konnte sich nicht mit der Lösung des Bundesrats anfreunden, da diese vor allem tiefe Einkommen und KMU betroffen hätten. Der Zuschlag auf der AHV-Rente hingegen wirke sich bei den tiefen Einkommen am stärksten aus, sagte Kommissionssprecher Urs Schwaller (CVP/FR).
Seiner Meinung nach liegt im AHV-Zuschlag der Schlüssel für den Erfolg der gesamten Vorlage. Eine Abstimmung gewinne man nicht mit schönen Worten, sagte auch Konrad Graber (CVP/LU). Das Entgegenkommen bei der AHV sei entscheidend. "Am Schluss des Tages zählt, was im Portemonnaie landet." Christine Egerszegi (FDP/AG) erinnerte daran, dass die Senkung des Umwandlungssatzes 2010 mit 72,7 Prozent abgelehnt wurde.
Politische Lösung
Damals kämpfte Gewerkschaftsbund-Präsident Paul Rechsteiner (SP/SG) an vorderster Front gegen den "Rentenklau". Im Ständerat brauchte er nicht einmal mit dem Referendum zu drohen. Er begnügte sich mit dem Hinweis, dass die Bevölkerung wohl keine Leistungskürzungen akzeptieren werde.
Die Lösung der Kommission muss daher in erster Linie politisch gelesen werden: Die Linke hat mit der Stärkung der AHV ein zentrales Anliegen in der Reform der Altersvorsorge untergebracht. Die AHV-Minimalrente würde mit dem Entscheid des Ständerats um knapp 6 Prozent erhöht. Dadurch wird die Reform zu einer Art indirektem Gegenvorschlag zur Initiative "AHVplus" des Gewerkschaftsbunds, die einen Zuschlag von 10 Prozent verlangt.
Dies könnte den tieferen Umwandlungssatz und das höhere Frauenrentenalter für die Linke verdaulich machen.
Künftig sollen Neurentner mehr Geld erhalten. /


Dass die AHV für Ehepaare überproportional stark ansteigen soll, dürfte vor allem der CVP gefallen. Sie war es, die den Zuschlägen zusammen mit SP und Grünen zum Durchbruch verholfen hat.
Es sei zwar nicht die Lösung des Bundesrats, aber immerhin ein Ausgleich für den tieferen Umwandlungssatz, sagte Innenminister Alain Berset. Dieser sei nötig, wenn man ein erneutes Scheitern der Reform der Altersvorsorge verhindern wolle.
Ob die AHV-Zuschläge auch im Nationalrat Zustimmung finden, ist allerdings fraglich - vor allem wenn das rechtsbürgerliche Lager bei den Wahlen tatsächlich zulegen sollte. Für SVP und FDP ist es nämlich überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die AHV ausgebaut werden soll, obwohl diese doch schon unter den heutigen Vorzeichen in die roten Zahlen zu rutschen droht.
Kritik an steigenden Kosten
Im Ständerat wehrten sich ihre Vertreter jedenfalls heftig gegen das Ansinnen. Das Umlageergebnis der AHV sei schon heute negativ, sagte Felix Gutzwiller (FDP/ZH). Die AHV müsse stabilisiert und nicht ausgebaut werden.
Gutzwiller kritisierte auch die Erhöhung der Renten mit der Giesskanne und die "ungute Vermischung" von 1. und 2. Säule. Geld zu verteilen sei schön, sagte Alex Kuprecht (SVP/SZ). Künftigen Generationen würden damit aber hohe Kosten aufgebürdet.
Tatsächlich steigen die Kosten im Lauf der Zeit immer mehr an: Zunächst kostet die Aufstockung nicht viel, weil nur Neurentner höhere Renten bekommen würden. Mit den Jahren haben aber immer mehr Jahrgänge Anspruch auf die Zuschläge. Im Jahr 2030 werden diese 1,4 Milliarden Franken kosten, 2035 schon 2 Milliarden. Kommt hinzu, dass die SGK die vom Bundesrat vorgeschlagene AHV-Schuldenbremse aus der Vorlage kippen möchte.
Auf Widerstand stösst auch die geplante Finanzierung der höheren Renten über 0,3 zusätzliche Lohnprozente, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer knapp 1,4 Milliarden kostet. Die Gegner kritisierten, dass dadurch die aktive Generation zusätzlich belastet wird. Zudem werde der Faktor Arbeit verteuert. Über die Erhöhung der AHV-Beiträge diskutiert der Ständerat im Anschluss.