Regula Stämpfli / Mittwoch, 9. Dezember 2015
Zur Wahl standen - Zitat Facebook Lukas Wiss - «Ein Rassist, ein Sexist und irgendein Weinbauer.» Aus dieser illustren Truppe hat sich die Bundesversammlung für letztere Option entschieden. Ein Hauch der Zukunft war heute spürbar: 1. Wahlen verkommen je länger je mehr zur Schadensbegrenzung. 2. Die sozialen Medien sind top.
Die Schweiz hat gewählt und gewonnen haben die «sozialen» (Journijargon) Medien. Die asozialen Medien (wenn die einen sozial, sind die anderen asozial, nicht wahr?), d.h. die Mainstream-Medien füllte die Pausen zwischen den pointierten Hashtags, Tweets und FB-Postings. Wie könnte es auch anders sein, wenn die asozialen Medien ständig Experten ranziehen, deren «Mitte-Links-Gelaber» (sorry, die CVP gehört zu den bürgerlichen Parteien wie das Miau zu einer Katze. mitte-links ist sie nur rechts von Goebbels) oder Smartvotes Heilrufe: «Die SVP gewinnt» mittlerweile selbst die SVP langweilen.
Zwar sind die Bundesratswahlen, rein vom Resultat her, noch der Logik der asozialen Medien gefolgt, oder etwa doch nicht? Wenn man genauer hinguckt: Nein. Denn der von SRF und SVP präferierte Aeschi (da es über Parmelin bisher wenig zu sagen oder zu hören gab) wurde wahrscheinlich von den sozialen Medien abgeschossen. Der Witzbold mit K.O.-Tropfen machte nach heftigen online-Aktionen auch einigen Parteifreunden Bauchweh. Deshalb folgte das O.K. für seine abgeschlagenen 88 Stimmen (! Zufälle gibt's, mei, mei) auf Twitter sofort. Auch Gobbi alias Globi wurde nicht von den Mainstream-Medien, sondern von den sozialen Medien genauer unter die Lupe genommen. Der Schwarm recherchierte die seltsamen Äusserungen des Lega-Mannes. Ohne Twitter, Facebook et. al. wären also eventuell der Rassist oder der Sexist locker durch die Wahlen gesegelt, mit Vorteil Sexist natürlich.
Abgesehen vom Inhalt, gewinnen die sozialen Medien auch punkto Unterhaltungswert. «Rein vom Namen her, müsste Frau Amherd der SVP doch gefallen»- danke Reto Vogt via Twitter. Und hätte ich per Tweet nicht auf die Frauenfrage hingewiesen, wäre den Journalistinnen und Moderatorinnen gar nicht aufgefallen, dass sie wahrscheinlich zur aussterbenden Spezies von Frauen in Spitzenpositionen gehören (und selber daran ziemlich heftig arbeiten...). So kam es doch noch zu ein paar «häm Frauenfrage»-Rülpsern. Tja. Wie man sich bettet, so liegt frau und ich weiss, dass ich auch die nächsten 40 Jahre nie arbeitslos werde...
Womit ich wieder bei den sozialen Medien und Simon Freiburghaus wäre: «Ist dies der Anfang von Houellebecqs düsterer Fiktion? Das Ende der Aufklärung - Jahrhunderte des Lichts - wegen Männerbünden? Lassen sich Frauen von Frauen für die Sache der Männer gegen Frauen instrumentalisieren, weil Frauen neidischer sind, als dies Männer je auf Männer sein könnten?»
Tja. Ich sag´s ja: Gewonnen haben heute definitiv die sozialen Medien. Dort tummelten sich übrigens auch ganz viele Menschen mit Menstruationshintergrund - einfach Klasse. Womit ich auf die Studie vom TagesAnzeiger hinweisen möchte, der festgestellt hat, dass der SRF-Talk «Club», a) immer dieselben Experten einlädt und b) unter die keine einzige Frau fällt, was für mich ein c) ergibt: Frauen tummeln sich zu recht lieber in den sozialen Medien. Haken dabei ist: In den asozialen gibt's mehr Geld.
PS: Diese Kolumne kann ironische Bestandteile beinhalten. Bei allfälligen Nebenwirkungen konsultieren Sie die Sachbücher, den Youtube-Kanal und die Homepage von Regula Stämpfli.