Regula Stämpfli / Mittwoch, 11. Mai 2016
Korpskommandant André Blattmann wird von den Mainstreammedien der «Beleidigung» bezichtigt. Er nannte den Rundschau-Chef Sandro Brotz, «Sandro Kotz.» Wer meint, dies sei nur ein Sturm im Wasserglas, irrt. Blattmann manifestiert einmal mehr, dass er von Demokratie und Meinungsfreiheit nichts hält, auch wenn er sich unterdessen bei Brotz entschuldigt hat.
Wir schreiben das Jahr 2016. Einmal mehr hat sich die Schweizer Armee verspekuliert. Die vorgesehenen Lenkwaffen für eine bodengestützte Luftabwehr waren untauglich. Nachdem die «Rundschau» von SRF darüber berichtet hatte, war die Reaktion von André Blattmann laut «Zentralschweiz am Sonntag» darauf folgende: «Ich freue mich, wenn man den Missetäter, den Verräter findet, und ich freue mich, wenn wir diesen im übertragenen Sinne auf die Schlachtbank führen können.» Dies vor über 150 Generalstabsoffizieren. Der «widerliche Kerl» hätte die «Zukunft unserer Armee und unserer Doktrin» in Frage gestellt. Sorry, hab ich etwas falsch verstanden? Nicht die Tatsache, dass unbrauchbare Lenkwaffen bestellt wurden, enerviert den Korpskommandanten, sondern dass die Unbrauchbarkeit an die Öffentlichkeit gelangt ist? Und pardon: Gibt es in der Schweizer Armee eine Schlachtbank, auf die offensichtlich «Verräter» geführt werden?
Der Korpskommandant verleiht seinen autoritären Fiktionen in seiner Rede Wirklichkeit - dies sollte nicht nur eine Mediengeschichte bleiben, sondern Konsequenzen zeitigen. Andere haben schon über viel kleinere Geschichten Amt und Würde verloren. Doch offensichtlich sind die Zeiten so rabiat geworden, dass sich nicht nur die Mächtigen in der Türkei, in Polen und in Ungarn, Medienunfreiheit leisten können, sondern auch in der Schweiz.
Balthasar Glättli sagte «Blick am Abend», dass Blattmann mit seiner martialischen Sprache und seiner Verachtung gegenüber Medien und Journalisten völlig daneben gegriffen habe: «Würde er nicht sowieso zurücktreten, müsste ich seinen Rücktritt fordern.» Es geht aber nicht nur um Blattmanns rabiate Wortwahl, sondern um sein Verständnis dessen, auf welchen Fundamenten die Schweiz steht. Blattmanns Kolumnen implizieren sehr oft den Sonderstatus der Armee, grad so, als gälten in ihr der Umgang mit Öffentlichkeitspflicht, Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Rechenschaftspflicht bezüglich öffentlicher Finanzen nicht. Das ist es, was in der Reaktion auf Recherchen und öffentlich werden eines weiteren (unter den unzähligen) Fehlentscheides des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport so offensichtlich wird. Wehe, Blattmann wäre im Ernstfall. Müsste Sandro Brotz damit rechnen, als erster zum «Schutz des inneren Friedens» verhaftet zu werden?
Der Skandal um Blattmann ist also nicht einfach die «Beleidigung», sondern zeigt einen bedenklichen Umgang mit demokratischen Grundrechten durch den Armeechef. Ob er wohl ein Einzelfall unter den Militärs ist? Das Parlament muss dafür sorgen, dass seine Beamten - nichts anderes sind nämlich hohe Militärs - etwas Nachhilfe punkto Demokratie und Politik kriegen. Ich wüsste da eine sehr gute Referentin...