Patrik Etschmayer / Dienstag, 15. März 2016
Mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination wurde am letzten Wochenende beobachtet, wie die rechtsnational-populistische AfD in drei Deutsche Länderparlamente gewählt wurde, in Sachsen-Anhalt sogar ein knappes Viertel der Wählerstimmen bekommen hat und dort zweitstärkste Partei geworden ist.
Es ist etwas paradox, wenn die Verlierer-Partei die grosse Gewinnerin einer Wahl ist. Aber nur einen Moment lang. Dazu muss man kurz die Wahlanalysen betrachten und diese in Relation zum Parteiprogramm der AfD stellen.
So wählen vor allem Enttäuschte und Abgehängte der Gesellschaft die AfD. Interviews aus der AfD-Hochburg Bitterfeld zeigen - das Wortspiel ist fast unvermeidlich - verbitterte Bürger, die sich über die finanzielle Bevorzugung von Flüchtlingen, darüber, dass überall 'Neger' seien und über den wirtschaftlichen Niedergang empören, den ihr Ort erlebe. Sie haben klar das Gefühl, dass sie von der Politik vergessen und abgehängt wurden und sich nun rächen wollen.
Die faktische Unterfütterung dieser Aussagen ist ziemlich dünn. Flüchtlinge bekommen in Deutschland klar weniger als Sozialhilfeempfänger - sogar nach Hartz IV - und der Ausländeranteil in Mitteldeutschland ist auch heute noch tiefer als irgendwo sonst in der Bundesrepublik.
Doch in einem haben diese Wähler recht: Sie leben in einer 'abgehängten' Region, in einer Region, die auch heute noch stark auf Ausgleichszahlungen aus anderen Bundesländern (drittgrösster Zahlungsempfänger nach Berlin und Sachsen) angewiesen ist. Sprich - selbst das bescheidene Lebensniveau jener bitteren Rentner aus Bitterfeld basiert genau auf den Parteiprogrammen und Regierungsbeschlüssen jener CDU und SPD, die eben zugunsten der AfD abgestraft wurden.
Die AfD plant in ihrem Parteiprogramm hingegen das Ende des Sozialstaates, Steuererleichterungen für Reiche, Privatisierung der Arbeitslosenversicherung, Stigmatisierung von Alleinerziehenden und manche andere rechtsextrem-völkische Spässchen. Vielen ihrer Wähler würde es in der Folge noch wesentlich schlechter gehen als jetzt, denn das Geld für Ihre Kommunen wäre unter dem post-demokratischen Parteiprogramm der AfD auf einmal weg.
In diesem Sinne haben wir es hier mit einem Paradoxon zu tun, wie es sich auch gerade bei den US-Vorwahlen der Republikaner abspielt, wo der Milliardär Donald Trump (je nach Quelle bewegt sich sein 'Net Worth' zwischen US$ 3 Mia. (Bloomberg) und US$ 10 Mia. (Trump selbst) auch - ja vor allem - jede Menge Protestwähler anzieht, die sich abgehängt und benachteiligt fühlen.
Die Wähleransichten über AfD und Trump sind - obwohl durch einen Kontinent getrennt - verblüffend gleich: «Er/die sagen/sagt wie es ist!» Wobei 'sagen wie es ist' geflissentlich mit 'sagen was wir hören wollen' verwechselt wird. Dass weder AfD noch Trump besonders ehrlich sind, zeigt sich schon daran, dass beide politischen Neo-Schwergewichte ihre echten Ziele hinter einem xenophoben Feuerwerk aus krassen Aussagen verstecken, die eine Betroffenheit für ihre aus der Mittel- und Unterklasse stammenden Wähler vorschützt. Wer hingegen die angedachten Steuerreformen und - im Falle von Trump - seine Aussagen zu armen Leuten (und das sind all jene, die nicht reich sind) ansieht, die er früher gemacht hat, wird eines besseren belehrt. So befand Trump einmal in einem Interview, dass arme Menschen 'Morons' (Idioten) seien.
Das wirkliche und wahrhaftige Problem der heutigen Zeit, nämlich das Abtreten der Gestaltungskraft der Politik an die Wirtschaft, wird dabei allerdings sowohl von AfD/Trump, als auch von den etablierten Parteien so gut wie möglich verschwiegen. Dies ist auch der Grund, warum der Stachel in Hillary Clintons Seite, Bernie Sanders, der sich genau DIES zum Thema gemacht hat, dermassen irritierend ist und von allen - sogar Trump - gefürchtet wird.
Trump und AfD passen in ihrer Verachtung für ihre Kernwählerschaft, die glaubt, in der Politik endlich einen Verbündeten in ihrem Hass, ihrer Wut und ihrer Angst gefunden zu haben, perfekt zusammen. Sollte Trump also entweder bei den Vorwahlen oder bei den Wahlen im Herbst scheitern, wartet schon eine Alternative auf ihn. Denn der AfD fehlt es noch an einem echten Führer. Mit einem Trump, der sich auf sein deutsches Erbe besinnen würde (seine Vorfahren hiessen ja 'Drumpf') wäre diese Partei ja tatsächlich auch eine 'Alternative für Drumpf'! Nicht mal ein Wechsel des Kürzels wäre nötig. Und das Parteiprogramm könnte auch stehen bleiben.