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Ernährungssicherheit als System verstehenDie weltweite Ernährung sicherzustellen ist ein komplexes Unterfangen, das weit über die Produktions- und Verteilungsproblematik hinausreicht. Um Ernährungssicherheit systematisch erfassen zu können, sollten vier zentrale Faktoren berücksichtigt werden.Dr. Martijn Sonnevelt / Quelle: ETH-Zukunftsblog / Mittwoch, 27. November 2013 / 15:44 h
Die globale Nahrungsmittelproduktion wächst seit Jahren. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gehen für die nächsten zehn Jahre von einem jährlichen Wachstum von rund 1,5 Prozent aus. Demgegenüber rechnet die UNO mit einer Bevölkerungszunahme bis 2020 von rund 1 Prozent jährlich. Ob die erwartete Produktionssteigerung mit der künftigen Nahrungsmittelnachfrage schritthalten kann, hängt auch davon ab, wie sich die Einkommen und damit verbunden die Konsumpräferenzen verändern werden.
Die Hungerproblematik besteht Die oben genannte Gleichung zwischen erwarteter Produktions- und Konsumentwicklungen greift aber zu kurz. Heute verfügt rund jeder achte Erdbürger über zu wenig Nahrungsmittel, um ein aktives, gesundes Leben zu führen. In Subsahara-Afrika ist rund jeder vierte Mensch von Hunger betroffen. Für Afrika wird gleichzeitig mit einer starken wirtschaftlichen Entwicklung und einem massiven Bevölkerungswachstum gerechnet. Dies in einer Region, deren landwirtschaftlicher Output weit unter dem globalen Durchschnitt liegt. Ernährungssicherheit - ein System mit vier Faktoren Die Ernährungssicherheit ist eine komplexe Problematik. Dies hat - neben lokalen Herausforderungen - damit zu tun, dass entlang der globalen Nahrungsmittelkette Ursache und Wirkung oft zeitlich und räumlich auseinander liegen: Produkte, die an einem Ort produziert werden, werden oft erst Monate später an einem anderen Ort der Welt konsumiert. Globale Arbeitsteilung, Handel und Lagerhaltung sowie zukünftige Preiserwartungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Um die Zusammenhänge der Ernährungssicherheit zu verstehen, bietet sich ein systemischer Ansatz mit folgenden vier Faktoren an: Verfügbarkeit, Zugang, Verwendung und Stabilität. Dr. Martijn Sonnevelt ist PostDoc in Agrarökonomie an der ETH Zürich. /
Verarbeitung von Mais in Minnesota, USA. /
Die vier Faktoren der Ernährungssicherheit: Verfügbarkeit, Zugang, Verwendung und Stabilität. /
Transparentere Märkte erhöhen den Zugang zu Nahrungsmitteln. /
Die ersten beiden Elemente umfassen die eigentliche Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln sowie den physischen und monetären Zugang zu ihnen. In diesem Zusammenhang spielen produktionsbezogene Aspekte wie das agronomische Potenzial, Investitionen in Infrastruktur oder Züchtung eine wichtige Rolle. Weitere bedeutende Einflussgrössen sind das Bevölkerungswachstum und der globale Handel sowie generell ökonomische und technologische Entwicklungen. Das dritte Element, die Verwendung von Nahrungsmitteln, beinhaltet einerseits Aspekte wie Qualität, Sicherheit und den Umgang mit Verlusten, etwa mit Nahrungsmittelabfällen. Andererseits sind auch landwirtschaftliche Produkte gemeint, die zu Energieträgern oder Kunststoffen verarbeitet werden. Das letzte Element bezieht sich auf die Stabilität des Ernährungssystems. Aus einer kurzfristigen Perspektive geht es um die politischen, institutionellen und ökonomischen Rahmenbedingungen, die Investitionen und Innovationen fördern, sowie um Umweltfaktoren wie zum Beispiel Klimawandel, Bodenqualität oder Pflanzenkrankheiten. Ferner geht es um das langfristige Potenzial des Ernährungssystems unter Berücksichtigung der natürlichen Ressourcenausstattung. Systemverständnis und Transparenz als Schlüssel Der weltweite Nahrungsmittelmarkt ist von unsicheren zukünftigen Produktions- und Konsumerwartungen sowie von Intransparenz geprägt, zum Beispiel bezüglich Lagerbeständen. Darüber hinaus richten sich staatliche Markteingriffe oft nach innenpolitischem Kalkül. In vielen Ländern geben Haushallte im Durchschnitt rund 30 bis 45 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. Veränderungen der Nahrungsmittelpreise können für sie schwerwiegende Konsequenzen haben. Um die Entwicklung der Nahrungsmittelmärkte besser einschätzen und somit Preisausschläge abfedern zu können, ist es unerlässlich, dass man die Zusammenhänge zwischen Verfügbarkeit, Zugang, Verwendung und Stabilität besser als Ganzes versteht. Ein solches Systemverständnis kann zu breiter abgestützten Informationen über Politik-, Produktions- und Konsumtrends führen. Das hilft uns, globale Marktentwicklungen besser abzuschätzen und so die richtigen Massnahmen zu ergreifen. Transparentere Märkte sind immer auch stabilere Märkte und führen zu gesichertem Zugang der armen Bevölkerung zu Nahrung.
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