Tino Richter / Quelle: news.ch / Samstag, 10. April 2010 / 09:00 h
Der 26-jährige Konvertit und Präsident des umstrittenen Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) ist spätestens seit der Einladung des Islampredigers Pierre Vogel in die Schweiz ein Begriff. Nicolas Blancho, auch Vizepräsident der als radikal geltenden Rahman-Moschee in Biel, gilt als Befürworter einer strengen aber gewaltlosen Auslegung des Koran. Seine Frau trägt zu Hause den Ganzkörperschleier - freiwillig.
Die «Weltwoche» hält ihn gar für den «gefährlichsten Islamisten der Schweiz» und nennt ihn den «Bin Laden aus Biel». Zurzeit gibt Nicolas Blancho keine Interviews. Über seinen Sprecher Qaasim Illi lässt er aber ausrichten, was er von den kürzlich gegen ihn erhobenen Vorwürfen hält.
Konkret handelt es sich um ein Interview im «Tages-Anzeiger» (Mittwoch, 7. April) mit dem Bieler Lehrer und grünliberalen Lokalpolitiker Alain Pichard, der mit Blancho über seine Ziele gesprochen hat.
Netzwerk oder Parallelgesellschaft?
Laut Pichard habe Blancho vor, ein muslimisches Netzwerk in der Schweiz aufzubauen, um den hier lebenden Muslimen eine ihnen genehme Lebensweise zu bieten. Der IZRS dementiert gegenüber news.ch, dass er Parallelgesellschaft in irgendeiner Weise fördert. Das Interview im TA seien die Aussagen des Bieler Grundschullehrers, nicht die Aussagen Herrn Blanchos.
«Wir lehnen das Konzept der Parallelgesellschaft auch aus islamischer Überzeugung ab. Meint man nämlich damit eine juristische Parallelentität, so würde sehr bald ein rechtlich-normatives Chaos in der Schweiz herrschen», so Mediensprecher Illi gegenüber news.ch.
«Wir passen uns an»
«Wir vertreten die Ansicht, dass es in der Schweiz, wie in jedem heterogen-gesellschaftlichen Kontext eine juristische Gesellschaft braucht, darin aber viele juridische Gemeinschaften (Gemeinschaften mit unterschiedlichen moralisch-sittlichen Ansichten, Anm. d. Red.) nebeneinander und miteinander Platz haben. Wir streben keine Veränderung an, sondern passen uns den hiesigen, natürlichen Verhältnissen an», so Illi weiter.
Soweit so gut. Doch der IZRS macht bei der gegenseitigen Anerkennung noch Defizite aus. Man wolle die Probleme, wie jene in den Schulen (Kopftuch, Weihnachtsfeiern, Feiertage, Schwimmunterricht etc.) entschärfen, indem man eigene Schulen baut, diese selber finanziert und darin die Kinder auf das Leben in der einen, juristischen Gesellschaft vorbereitet.
Nicolas Blancho konvertierte mit 16 Jahren zum Islam. Der 26-Jährige ist 2006 bekannt geworden, als er auf dem Bundesplatz eine Demonstration gegen die Mohamed-Karikaturen organisierte. /

Präsident Nicolas Blancho und Qaasim Illi, Leiter PR und Information des IZRS. /


Man wolle damit gezielter auf die Sprachschwächen bei Migrantenkindern eingehen und «kulturelle Besonderheiten besser, vor allem gezielter betreuen».
Auch nicht-muslimische Lehrkräfte
Doch braucht es dafür wirklich eigene Schulen? Auf die Frage, was in den Schulen unterrichtet werden soll, gibt Illi an, dass es sich genau um das gleiche Curriculum handelt wie an Schweizer Schulen - nur das Fach Arabisch sowie islamische Theologie und Ethik sollen noch hinzukommen.
Demgemäss sollen nicht-theologische Fächer auch von nicht-muslimischen Schweizer Lehrkräfte unterrichtet werden. Dabei geht es, so Illi, um «ein gesundes Mass an Vermittlung von religionsspezifischem Wissen und sozialer Kompetenz».
Rechtliche Schritte gegen jungen Kurden
Wegen eines anderen Vorwurfs des Lehrers werde der IZRS rechtliche Schritte gegen einen jungen Kurden prüfen. Dieser soll laut Pichard nach einem Treffen mit Blancho sich mehr und mehr radikalisiert haben und in ein Terrorcamp nach Ägypten gegangen sein. Blancho habe ihn «beherbergt und betreut», heisst es in dem Interview mit dem TA.
Der IZRS will hier «Aufklärung schaffen», so Illi. Er zieht den Besuch eines Terrorcamps aber in Zweifel. «Das ist extrem unwahrscheinlich, zumal es keine Hinweise auf solche Lager im Land am Nil gibt», erklärt Illi gegenüber news.ch. «Dennoch sind wir der Meinung, dass das Fedpol den jungen Mann vernehmen sollte, um Licht hinter die Sache zu bringen.»
Hausverbot erteilt
Illi dementiert, dass Blancho mit der Radikalisierung des jungen Mannes zu tun gehabt habe. «Seine Lektionen sind immer öffentlich zugänglich. Im Falle der in Frage stehenden Person verhielt es sich vielmehr so, dass er bereits mit radikalen Tendenzen in die Bieler Moschee kam. Er hatte schon den Hang zur Gewaltverherrlichung und eine Sympathie für Bin Laden», erklärt Illi.
Blancho habe versucht, ihn von diesem Weg abzubringen. Als er begann Gemeindemitglieder der Bieler Moschee zu bedrohen und sogar den Vorbeter als «Ungläubigen» beschimpfte, wurde von Seiten des Moscheevorstandes ein bis heute gültiges Hausverbot verhängt.
«Beliebter, deutschsprachiger Islamprediger»
Auf den Fall des deutschen Islampredigers Pierre Vogel angesprochen, erklärt Illi, dass es eigentlich keinen Grund gebe, warum dieser in der Schweiz so umstritten sei. Man nenne ihn «Hassprediger», doch habe er nie Hass gepredigt.
Nein, Hasspredigten können Vogel nicht unterstellt werden. Aber sein Auftreten und die Videobotschaften wollten nicht den Eindruck erwecken, dass er seriöse Absichten hege. Auch im Fall Blancho bleibt trotz mancher nachvollziehbarer Äusserung unklar, was von dem Mann zu halten ist.
Blancho kündigt an, dass er sich im «Bieler Tagblatt» vom Samstag, 10. April zu den Vorwürfen äussern wird.