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«Fatty Kim» muss umdenkenIn Peking wurde an einem Gipfeltreffen die südkoreanisch-chinesische Freundschaft schon fast hymnisch beschworen. Gleichzeitig bezeichneten Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye das nordkoreanische Atomprogramm als «eine ernsthafte Bedrohung des Friedens». Hat Nordkoreas «junger General» Kim Jong-un etwas falsch gemacht?Peter Achten / Quelle: news.ch / Dienstag, 2. Juli 2013 / 10:27 h
Nur eine Woche vor dem chinesisch-südkoreanischen Gipfel erhielt Peking hohen Besuch aus Nordkorea, den höchsten notabene seit Kim Jong-un nach dem Tod seines Vater Kim Jong-il im Dezember 2011 an die Macht kam. Der Leiter des politischen Büros der Voksarmee, General Choe Ryong-hae, unterhielt sich mit dem Direktor der internationalen Abteilung des Zentralkomitees, Wan Jairu. Über die Gespräche wurde wenig bekannt. «China», hiess es in den Medien lediglich, «setzt sich für eine koreanische Halbinsel ohne Atomwaffen ein». Die Bilder in Chinas Medien zeigten einen grimmig blickenden, uniformierten General Choe. Die nonverbale Botschaft: Die Freundschaft zwischen China und Nordkorea ist wohl nicht mehr wie einst im Propagandasprech «so eng wie Lippen und Zähne». Die amtliche Nachrichten-Agentur Xinhua (Neues China) brachte es - für chineische Verhältnisse bemerkenswert klar - folgendermassen auf den Punkt: «Das hart erarbeitete Vertrauen zwischen den betroffenen Ländern beginnt sich in Luft aufzulösen nach zahlreichen unglücklichen Zwischenfällen». Damit waren Nordkoreas Raketentest vom November, der Atomtest vom Februar und die wild-apokalyptischen Drohungen gegenüber den USA und Südkorea im Frühling gemeint. In der Folge stimmte auch China im Sicherheitsrat für Sanktionen gegen Nordkorea. Chinas neuer Staats- und Parteichef Xi Jingping sagte dann im April, ohne den Namen Nordkorea zu nennen, dass es «keinem Land erlaubt werden sollte, eine Region oder gar die ganze Welt aus egoistischem Vorteil ins Chaos zu stürzen».
Kaum war der nordkoreanische General Choe wieder in Pjöngjang, machte Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye in Peking ihre Aufwartung. Sie wurde auf dem Platz vor dem Tor des Himmlischen Friedens Tiananmen mit dem grossen roten Teppich empfangen. Es ist nach den USA Parks erst zweite Auslandreise nach ihrem Machtantritt im vergangenen Februar. Sie wurde als «alter Freund Chinas» empfangen, im chinesischen Propaganda-Lingo ein hohes Lob. Die fliessend Chinesisch sprechende Park hat in den wenigen Monaten ihrer Amtszeit von China wegen ihrer neuen Nordkorea-Politik aus Flexibilität, Druck und Prinzipientreue bereits höchstes Ansehen gewonnen.
Obwohl China nach wie vor Nordkoreas Hauptlieferant von Erdöl, Energie Nahrungsmitteln und Investitionen ist, setzt jetzt offensichtlich die neue Pekinger Führung ganz auf die Durchsetzung einer «atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel». Xi Jinping und Park Geun-hye sagten unisono nach dem Gipfeltreffen in der Grossen Halle des Volkes, dass Nordkoreas Atomwaffenprogramm «eine ernsthafte Bedrohung des Friedens» und eine «grosse Gefahr für Korea, Nordostasien und den Rest der Welt» sei. Gleichzeitig wurde die Führung in Pjöngjang dazu aufgerufen, «ihre bisher eingegangenen Verpflichtungen mit dem Ziel einer Beendigung seines Atomwaffenprogramms zu erfüllen». Mit andern Worten, die seit 2009 von Nordkorea einseitig unterbrochenen Pekinger 6er-Gespräche (USA, Japan, Russland, China, Nord- und Südkorea) sollen so bald wie möglich wieder aufgenommen werden.
Das Verhältnis Peking-Seoul war noch nie so gut wie gerade heute. Vor allem aus pragmatischen, d.h. wirtschaftlichen Gründen. Der Tigerstaat Südkorea, von Präsidentin Parks Vater Park Chung-hee von 1961 bis 1979 mit diktatorischer Härte vom Agrarstaat zur Industrienation geführt, ist ökonomisch heute mit China eng verbunden. Ein Viertel seines Aussenhandels - 2012 rund 260 Mrd. Dollar - wickelte Südkorea mit China ab.
Durchaus möglich, das für «Fatty Kim» magere Zeiten anbrechen. /
China ist mit den USA der wichtigste Handelspartner Südkoreas. Und für China ist Südkorea immerhin die Nummer 4 des Aussenhandels. Südkorea investierte überdies in den letzten zwei Jahrzehnten mehrere hundert Milliarden Dollar in Produktionsstätten in China. So hat Präsidentin Park auf ihrer China-Visite u.a. einen mit sieben Milliarden Dollar erbauten südkoreanischen Chip-Komplex in Xi'an eröffnet. Kein Wunder deshalb, dass die südkoreanische Präsidentin von einer Wirtschafts-Delegation begleitet wurde, in der alles, was in Südkoreas Industrie Rang und Namen hat, vertreten war. Also von LG über Hyundai bis hin zu Samsung. Auch kulturell steht Südkorea in China, besonders bei der jungen Generation, in hohem Ansehen. Südkoreanische Sänger sind im Reich der Mitte Mega-Stars. Südkoreanische Mode und südkoreanische Frisuren bis hin zu gelb-rot-grünen Färbungen sind bei chinesischen Jugendlichen Kult und werden zum Ärger von konservativen KP-Apparatschiks frischfröhlich nachgeahmt. Auch Film und Fernsehen auf chinesischen Kanälen oder auf DVDs sind, diesmal bei Jung und Alt, ein Renner. Für den «jungen General» Kim Jong-un in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang wird es langsam eng. Die nordkoreanische Diplomatie war über Jahrzehnte mit Drohungen einerseits und Nachgeben andrerseits erfolgreich. Schon Grossvater Kim Il-sung und Vater Kim Jong-il haben jeweils gegen wirtschftliche Zugeständnisse das Blaue vom Himmel versprochen, nur wenig aber gehalten. Das wird dem jüngsten Spross der Kim-Dynastie wohl nicht mehr so einfach gelingen. Die Geduld des engsten Verbündeten und raren Freundes China ist langsam aber sicher erschöpft. Natürlich wird Nordkoreas desolate Wirtschaft und das darbende Volk weiterhin am Tropf chinesischer Hilfe am Leben erhalten werden. Wie der südkoreanisch-chinesische Gipfel nämlich gerade wieder einmal gezeigt hat, ist niemand an einem Regimewechsel oder Kollaps Nordkoreas interessiert. Der Status Quo ist sowohl für die Volksrepublik China als auch insbesondere für Südkorea und Bündnispartner Amerika kurz und mittelfristig die beste Lösung. Für China ist Nordkorea geopolitisch ein Puffer zur Grossmacht USA, und die USA können geopolitisch ihre wachsende militärische Präsenz in Asien mit der nordkoreanischen atomaren Gefahr begründen. Das Ideal der Wiedervereinigung kann warten und wird, wenn überhaupt, nur im gemeinsamen Einverständnis der Grossmächte China und USA erfolgen. Nordkoreas junger Supremo Kim Jong-un ist nun gefordert. Der nächste Zug liegt an ihm. Wie im dreidimensionalen chinesischen Schach wird es kein einfacher Zug sein. Mit apokalyptischen Drohungen wie im Frühling jedenfalls ist derzeit nichts mehr zu bewegen. Wirtschaftsreformen? Ein Besuch in Peking oder in Vietnam, um von den dortigen Genossen Marktwirtschaft und Kapitalismus ohne Machtverlust zu lernen? Kim Jong-un - in chinesischen Internetforen nicht selten als «Fatty Kim» apostrophiert - muss sich jedenfalls etwas einfallen lassen. Am besten etwas Neues. Links zum Artikel:
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