fest / Quelle: pd / Freitag, 2. Juni 2023 / 01:34 h
Um weiterhin eine erfolgreiche Behandlung bakterieller Infektionen zu gewährleisten, werden dringend neuartige Wirkstoffe benötigt. Jährlich sterben weltweit über fünf Millionen Menschen an Bakterien, die gegen vorhandene Antibiotika resistent sind. Leider gibt es derzeit nur wenige neue Antibiotika in der Entwicklung. In den letzten fünfzig Jahren wurden keine Antibiotika mehr zugelassen, die gegen bisher ungenutzte Zielmoleküle wirken.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie berichtet der Chemiker Oliver Zerbe, Leiter des NMR-Labors der Universität Zürich, über die Entwicklung einer hochwirksamen Klasse von Antibiotika, die resistente gramnegative Bakterien auf innovative Weise bekämpft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft diese Bakteriengruppe, die aufgrund ihrer doppelten Zellmembran besonders widerstandsfähig ist, als äusserst gefährlich ein. Dazu gehören beispielsweise carbapenemresistente Enterobakterien. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem UZH-Team und Forschern der Pharmafirma Spexis AG durchgeführt, die von Innosuisse finanziell unterstützt wurde.
Protein-Struktur gezielt verändert
Die Entwicklung der neuen Wirkstoffe basierte auf dem natürlichen Protein Thanatin, das von Insekten zur Abwehr von Infektionen verwendet wird. Thanatin unterbricht einen wichtigen Transportweg für eine essentielle Lipid-Zuckerkomponente zwischen der inneren und äusseren Membran von gramnegativen Bakterien. Dies wurde vor einigen Jahren vom emeritierten UZH-Professor John Robinson entdeckt. Durch diese Unterbrechung sammeln sich Stoffwechselprodukte im Inneren der Zelle an und das Bakterium stirbt ab.
Die Entwicklung der neuen Wirkstoffe basierte auf dem natürlichen Protein Thanatin, das von Insekten zur Abwehr von Infektionen verwendet wird. /


Thanatin ist jedoch nicht als Antibiotikum geeignet, da es unter anderem zu schwach wirkt und sich schnell Resistenzen dagegen bilden.
Die chemische Struktur von Thanatin wurde gezielt verändert, um ihre Eigenschaften zu verbessern. Hierbei waren die Strukturuntersuchungen des Teams von Oliver Zerbe von entscheidender Bedeutung. Das Team setzte die verschiedenen Komponenten des bakteriellen Transportwegs synthetisch zusammen und konnte durch Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) veranschaulichen, wo und wie Thanatin sich anlagert und den Transport unterbricht. Basierend auf diesen Informationen planten die Mitarbeiter von Spexis AG die chemischen Modifikationen, die erforderlich waren, um eine stärkere antibakterielle Wirkung zu erzielen. Weitere Modifikationen der ursprünglichen Struktur wurden durchgeführt, um unter anderem die Stabilität zu erhöhen.
Erste Versuche mit hervorragenden Ergebnissen
Die synthetisch hergestellten Substanzen wurden an Mäusen mit bakteriellen Infektionen getestet und zeigten hervorragende Ergebnisse. «Insbesondere bei Lungeninfektionen erwiesen sich die neuartigen Antibiotika als äusserst wirksam», sagt Oliver Zerbe. «Sie sind besonders effektiv gegen carbapenemresistente Enterobakterien, gegen die fast alle derzeit verfügbaren Antibiotika machtlos sind.» Darüber hinaus waren die Wirkstoffe nicht toxisch, verursachten keine Nierenschäden und blieben lange Zeit im Blut stabil. Diese Eigenschaften sind Voraussetzung für die Zulassung als Medikament. Vor dem Beginn erster Tests am Menschen stehen jedoch weitere präklinische Untersuchungen an.
Bei der Auswahl der vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten haben die Forscher auch sicherzustellen versucht, dass diese gegen Bakterien wirken, die bereits eine Resistenz gegenüber Thanatin entwickelt haben. «Wir sind zuversichtlich, dass dies die Entwicklung zukünftiger Resistenzen erheblich verlangsamen wird», sagt Oliver Zerbe. «Es besteht nun die Aussicht, dass bald eine neue Klasse von Antibiotika auf den Markt kommt, die auch gegen resistente Bakterien wirksam ist.»