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Polizeigewalt und Nachrichtenstopp in der «Berner Demokratie»In Bern fährt ein Automobilist absichtlich Menschen über den Haufen. Was normalerweise als versuchter Mord gewertet wird, führt in Bern zu keinen Verhaftungen. Da Polizeiberichte fehlen, spekulieren Medien über «Eskalation», «Linksautonome» und «gewaltbereite Kurden.»Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 16. September 2015 / 09:06 h
Michel Houellebecqs erzählt in seinem Roman «Unterwerfung» eine Schlüsselszene auf dem Weg von demokratischer Meinungsbildung zu autoritär gelenkten Presseberichten.«Hundert Meter nördlich stand die gesamte Place de Clichy in Flammen. Man konnte die ausgebrannten Wracks einiger Pkws und eines Busses erkennen» und kein einziges Medium berichtet darüber, sogar die ausländischen Medien schweigen (S. 53-58). Die französische Regierung hatte einen Nachrichtenstopp verordnet, da sie Bilder mit Gewalttaten aus der Stadt während ihrem Wahlkampf nicht gebrauchen konnten.
Könnte glatt ein Romanausschnitt zu Bern von letzten Samstag sein.
Seit dem Amtsantritt von Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) häufen sich Berichte über die Polizeigewalt gegen demonstrierende Bürger und Bürgerinnen bei gleichzeitigem Stillhalten der Medien. Kommt es zu Krawallen sind es im Zweifelsfall immer die Linksautonomen, die von der Polizei geknüppelt, tränenvergast und verhaftet werden. Bei der Demonstration gegen die Miss Schweiz Wahlen auf dem Bundesplatz etwa wurden minderjährige Mädchen verhaftet, mussten sich auf dem Polizeiposten nackt ausziehen und wurden von der bernischen Staatsanwaltschaft zu einer DNA-Probe aufgeboten und: Die Mainstreammedien, allen voran SRF, bewahrten zu den Vorfällen grundsätzlich Stillschweigen.
In jeder funktionierenden Demokratie würden die Einsätze solcher Polizeigewalt tagelang alle Nachrichtensendungen füllen. Nicht so in der Schweiz. Der Staatssender SRF bringt letzten Samstag 1.14 (!) Minuten über die Ereignisse in Bern, das - fürs Ausland immer kritisch berichtende - «Echo der Zeit» knapp eine Minute. SRF, dessen Aufgabe in der Information der Bürger und Bürgerinnen besteht und dafür mit Milliarden Zwangsgebühren (welche ja keine Mediensteuer seien) finanziert wird, berichtet am Samstag lieber über eine Schlacht, die vor 500 Jahren stattfand und über den griechischen Tourismus, der anscheinend wieder wächst.
So kann man die vierte Gewalt selbstverständlich auch verstehen: Informationen aus dem Inland nur dann, wenn sie den mit netten Aktionen wie «Politbox» durchsetzen Wahlkampf der Parteien nicht stören - Houllebecq lässt grüssen. Wenn Medien und Polizei gewaltig Hand in Hand arbeiten, dann sind dies schlechte Nachrichten für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Selbst wenn sie noch nie an einer Demonstration teilgenommen haben. Wer einwirft: «Aber die Demonstranten sind selber schuld» sei darauf verwiesen, dass die Demo offensichtlich kurzfristig bewilligt worden war und selbst wenn sie dies nicht war: in einer funktionierenden Demokratie wird nie auf sitzende Menschen, Alte und Kinder mit Knüppeln eingeschlagen und mit Gummischrot-Nahschüssen eingeballtert; und falls dies passiert, müssen die Verantwortlichen unverzüglich zur Rechenschaft gezogen werden. Und, falls dies in einer Demokratie passiert, haben die Medien flächendeckend zu berichten, recherchieren und präsentieren.
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